Sturm der Verfuehrung
ihn auf.
Sarah stockte der Atem, aber dann fiel ihr ein, dass Clary ja weder etwas von Charlies Antrag noch von ihrer Übereinkunft wusste - sie hatte ihre Eltern um striktes Stillschweigen gebeten.
Mit einem Lachen trennte Charlie sich von Clary, und gleich darauf stand er vor Sarah, nahm ihre Hand, führte sie an die Lippen und schaute ihr dabei in die Augen.
Wieder vibrierten ihre Nerven, und wieder rieselte ein Schauer über ihren Rücken.
»Guten Abend, Charlie.« Sie standen inmitten alter Bekannter, und sie dachte nicht daran, ihn mit »my Lord« anzusprechen. Seine graublauen Augen festhaltend, fuhr sie mit gesenkter Stimme fort: »Ich glaube, Lady Finsbury kann ihr Glück kaum fassen, Sie hier zu sehen.«
Sein Lächeln wurde breiter. Er drückte sanft ihre Finger und gab sie dann frei. »Da geht es mir nicht anders.«
Sarah neigte zum Dank für das verblümte Kompliment den Kopf und wartete scheinbar geduldig, während er weitere Gäste begrüßte und mit den Herren pointierte Bemerkungen und die neuesten Sportergebnisse austauschte.
Eines allerdings war jetzt bereits anders zwischen ihnen beiden: Die seltsame Atemlosigkeit, die sie bisher stets befallen hatte, sobald sie seiner ansichtig wurde, war heute Abend ausgeblieben. Sie hatte Charlie studiert, abgeschätzt - vielleicht war das der Grund dafür, dass seine Gegenwart sich erst auf sie ausgewirkt hatte, als er ihr näher kam, nahe genug, dass ihre Blicke sich begegnen, seine Hand die ihre ergreifen konnte.
In diesem Augenblick hatte seine Wirkung auf sie mit einer nie gekannten Intensität eingesetzt, sie beinahe aus der Fassung gebracht, aber als er zu ihr zurückkehrte, hatte sie sich wieder völlig in der Gewalt.
Mit einer kaum merklichen Kopfbewegung bedeutete er ihr, ihm zu folgen. Unauffällig entfernten sie sich von der Gruppe.
Er wollte etwas sagen, doch sie kam ihm zuvor. »Weiß Ihre Familie von Ihrer ... Absicht?«, fragte sie, indem sie an ihm vorbeischaute.
Er folgte ,ihrem Blick zu seiner Mutter Serena, seiner Schwester Augusta und seinem Bruder Jeremy, die gerade eingetroffen waren und von der Gastgeberin begrüßt wurden. »Nein.« Er drehte sich zu ihr um und sah ihr in die Augen. »Meine Entscheidung ist allein meine Angelegenheit. Ihr Interesse zu wecken würde unser Besserkennenlernen nur erschweren.« Seine Mundwinkel zuckten. »Allerdings sind sie nicht blind - sie werden es bald merken. Wissen denn Ihre Schwestern Bescheid?«
»Wenn es so wäre, würde Clary Ihnen nicht von der Seite weichen. «
»Dann lassen Sie uns um eine möglichst lange Ahnungslosigkeit beten.« Er ließ den Blick über die Köpfe hinwegschweifen. »Ich glaube, es ist gleich Zeit für den ersten Tanz. Wollen wir?«
Die Einleitung eines Cotillons erklang, und Charlie bot Sarah seinen Arm. Er hätte einen Walzer vorgezogen, aber er war nicht bereit zuzusehen, wie ein anderer Gentleman als Erster mit Sarah tanzte. Mit einem anmutigen Nicken legte sie die Hand auf seinen breiten Ärmelaufschlag. Als er sie zwischen den Gästen hindurch zum Speisezimmer führte, das zum Tanzsaal umgestaltet worden war, wurde ihm wieder bewusst, dass die Dinge sich nicht ganz so entwickelten wie erwartet und er sich darauf einstellen musste.
Auf sie. Sie, Lady Sarah, war der Grund für die Schieflage seiner Welt, der Punkt, von dem die Irritationen in seinen Plänen ausgingen.
Bei ihrem Gespräch am Vormittag hatte sie ihn mit ihrer Forderung nach einer Brautwerbung überrumpelt - erst auf dem Weg nach Hause war ihm klar geworden, wie weit sie sich von seiner Vorstellung entfernt hatten. Er hatte damit gerechnet, Conningham Manor als Verlobter zu verlassen; er hatte erwartet, dass Sarah seinen Antrag ohne Wenn und Aber annähme.
Stattdessen war ihm etwas Unerwartetes begegnet, etwas, was so stark war, dass es ihn zwar nicht von seinem Ziel abbrachte, jedoch veranlasste, seine Strecke neu abzustecken. Auch als er Sarah jetzt zu sich umdrehte und sie beide, die Hände erhoben, die Finger ineinander verflochten, ihre Position auf der Tanzfläche einnahmen, spürte er eine innere Stärke von ihr ausgehen, unaufdringlich, aber nicht zu unterschätzen. Aber ...
Die Musik wurde lebhafter, und sie bewegten sich in den vorgeschriebenen Figuren, neigten sich, wiegten sich, drehten sich, kamen zusammen, glitten auseinander, und während er für nichts anderes Augen hatte als für ihr Gesicht und ihre anmutige Gestalt, wurde ihm bewusst, wie bezaubernd sie war, wie ihre
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