Sturm der Verfuehrung
Gesicht geheftet, ließ er sie gewähren. Eine seltsame Ruhe senkte sich herab und hüllte sie beide ein.
Nach einer Weile nahm er Sarah den Schwamm aus der Hand und machte sich daran, ihre zarten Glieder zu säubern. Danach wuschen sie einander das Haar. Als sie beide von Ruß und Brandgeruch befreit waren, stand er auf, spülte zuerst Sarah mit dem in Eimern bereitstehenden Wasser ab und anschließend sich selbst. Mit am Feuer gewärmten Handtüchern trockneten sie sich ab und gingen eng umschlungen zum Bett.
Obwohl sie beide todmüde waren, bestand Sarah darauf, Charlie zu verarzten. Also zog er die Knie an die Brust und beugte sich vor.
Unendlich behutsam strich sie kühle Salbe auf die beschädigte Haut.
Charlie schloss die Augen und genoss die Berührung. Wäre er ein Kater gewesen, hätte er geschnurrt.
Irgendwann während der Behandlung schlief er ein.
Als er aufwachte, lag er auf dem Bauch. Sarah hatte die Laken zu seinen beiden Seiten über Polster gebreitet, damit sie nicht mit den Wunden in Kontakt kämen.
Als er sich vorstellte, wie und mit welcher Mühe sie ihn und alles andere in die jetzige Position gebracht hatte, musste er lächeln.
Mit geschlossenen Augen, nur einen Schritt davon entfernt, wieder in tiefen Schlaf zu sinken, in einen Frieden, den er erst kannte, seit Sarah an seiner Seite lag, dachte er über die Ereignisse dieser Nacht nach und über das, was sie am nächsten Tag erwartete.
Trotz der Schrecken des Feuers war seine Erinnerung daran mit einem Triumphgefühl durchsetzt. Sie mochten das Waisenhaus verloren haben, aber sie hatten gerettet, was es ausmachte - die Kinder und das Personal. Und das Interesse an der Einrichtung war durch den gemeinsamen Kampf gegen ihre Zerstörung sowohl bei ihm als auch bei den Menschen aus der Umgebung größer geworden. Die Bedrohung hatte ihnen den wahren Wert dieser Institution wieder deutlich bewusst gemacht.
Der morgige Tag würde im Zeichen von Organisieren, Koordinieren, Arrangieren und Entscheiden stehen.
Charlie stellte sich vor, wie beschäftigt Sarah und er jeder für sich sein würden. Während ein Teil von ihm dagegen aufbegehrte, dass ihnen keine Zeit füreinander bliebe, erinnerte ein anderer Teil ihn an das Glück ihrer innerlichen Verbundenheit. Ein Blick, eine kurze Berührung, und schon war dieses Glück präsent, ob im Kreis vieler Menschen oder allein miteinander.
Und es würde nie vergehen. Indem er den Mut aufgebracht hatte, es zuzulassen, hatte er es sich auf ewig gesichert. Ihnen beiden.
Trotz allen Unglücks gab es viel zu feiern.
Vielleicht sogar eine Schwangerschaft. Als er vorhin behutsam Sarahs Bauch gewaschen hatte, war er ihm eine Spur runder vorgekommen. In diesem Augenblick hätte er ihr gern gesagt, dass - und wie sehr - er sie liebte, doch es waren ihm keine blumigen Worte dafür eingefallen.
Aber vielleicht bedurfte es gar keiner blumigen Worte.
Als er gerade, im Vertrauen auf seinen Instinkt und ihr Verständnis, zum Sprechen ansetzte, hatte sie die Hand gehoben und dezent ein Gähnen verborgen, und in diesem Moment war ihm bewusst geworden, wie erschöpft sie sein musste - und wie erschöpft er selbst war. Die Lust, ihr seine Liebe zu erklären, war ihm vergangen. Wenn er es täte, sollte sie seine Worte in wachem Zustand vernehmen und nicht später denken, sie hätte sie geträumt.
Aber er wollte nicht mehr lange damit warten.
Sie und Alathea, Gabriel und all die anderen hatten recht. Eine auf Liebe gründende Ehe war es wert, dass man darum kämpfte.
Jedes Opfer wert, dass er vielleicht irgendwann dafür würde bringen müssen.
Während der Rest der Welt schlummerte und die Nacht allmählich der Morgendämmerung wich, saß Malcolm Sinclair in der Bibliothek am Schreibtisch und ließ die Feder über das Papier huschen. Er beschrieb eine Seite nach der anderen, ohne Zögern, ohne Bedenken.
Als er sich endlich seufzend aufrichtete, war es bereits hell. Schwungvoll Unterzeichnete er das letzte Blatt und streute Sand darauf. Dann legte er die Seiten aufeinander, faltete sie und versiegelte die Enden sorgfältig.
Nach kurzem Überlegen schrieb er auf die Vorderseite des Packens mit einem um die Mundwinkel spielenden Lächeln: »An wen immer, den es interessieren mag«.
Fertig. Er lehnte sich zurück und betrachtete den dicken Brief. Sein Blick glitt in die Ferne, und ein Stirnrunzeln verfinsterte das auf strenge Weise anziehende Gesicht, doch im nächsten Moment schüttelte Malcolm die Anwandlung
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