Sturm der Verfuehrung
nicht auf. Ich will dir nur einen guten Rat geben. Ob du ihn dir zu Herzen nimmst oder nicht bleibt dir überlassen.«
Charlie seufzte in sich hinein. Alathea war zehn Jahre älter als er und in vielerlei Hinsicht unangenehmer als seine Mutter. Serena war umgänglich, Alathea weniger. Aber er würde ihr immer dankbar für alles sein, was sie in der Vergangenheit für ihn getan hatte - woran sie mit weiblicher Skrupellosigkeit erinnerte, sobald er sich als schwierig erwies. »Und was ist das für ein Rat?«
»Wie es scheint, hast du dich endlich entschieden, dir eine Ehefrau zu nehmen, und da dachte ich, es könnte nicht schaden, dich darauf hinzuweisen, dass, auch wenn du glaubst, es müsste immer nach deinem Kopf gehen, sogar für dich einige Regeln gelten.«
Charlie schwieg. Ein Protest würde die Lektion nur verlängern.
Aus dem Augenwinkel sah er Alathea tadelnd die Brauen hochziehen, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Wahrscheinlich hatte sie das. Sie war mit Gabriel verheiratet, und er, Charlie, und Gabriel reagierten meistens gleich - außer bei dem Thema, über das sie gerade sprechen wollte.
Er wappnete sich und schwieg weiter.
Alathea kniff die Augen zusammen und wandte sich wieder dem Raum zu. »Entgegen der Mode hat es in unserer Familie nie etwas anderes als Liebesheiraten gegeben, und damit meine ich nicht die Cynsters, obwohl es auch auf sie zutrifft.«
Charlie bemerkte, dass ihr Blick auf ihrem Mann Gabriel Cynster ruhte, der jetzt bei Sarah und dem fremden Gentleman stand. Es war klar ersichtlich, dass Gabriel ihn kannte.
»Alle Morwellan-Männer«, fuhr Althea neben ihm fort, »haben seit Jahrhunderten aus Liebe geheiratet, und du wärest gut beraten, das Warum und Wozu zu bedenken, ehe du unüberlegt mit dieser Tradition brichst.«
Es dauerte einen Moment, bis Charlie, dessen Aufmerksamkeit noch immer von dem Geschehen auf der anderen Seite des Raumes gefesselt war, begriff, dass Alathea eine Reaktion erwartete. »Ja, schon gut.«
Er sah sie nicht an, aber er spürte ihren durchdringenden Blick.
Ohne darauf einzugehen, fragte er: »Wer ist das da drüben, mit dem Gabriel spricht?«
Nach einem weiteren durchdringenden Blick schaute Alathea in die angegebene Richtung und dann wieder Charlie an. »Irgendein Investor, den Rupert eingeladen hat - ein Mr Sinclair. Er denkt offenbar daran, sich hier in der Gegend niederzulassen.«
Charlie, der das Grüppchen - Gabriel, Sinclair und Sarah - nicht aus den Augen ließ, sah Sarahs Lächeln natürlicher werden - seit Gabriels Auftauchen hatte sie sich merklich entspannt. Seine Augen verengten sich. »Tatsächlich?«
Wieder schoss Alatheas Blick zur anderen Seite des Raumes und kehrte zu Charlie zurück. Ohne sie anzusehen, nahm er ihre Hand von seinem Ärmelaufschlag. »Entschuldige mich.«
Entschlossen bahnte er sich einen Weg durch das Gedränge.
Alathea schaute ihm nach, sah, wie er sich so geschickt hindurchschlängelte, dass er auf der anderen Seite zwischen Sarah und Sinclair herauskam und sie somit voneinander trennte, sah, wie Gabriel ihn vorstellte und Charlie und Sinclair sich die Hand schüttelten, sah, wie Charlie sich zu Sarah drehte und ihr seinen Arm bot, sah Sarahs Gesichtsausdruck, als sie ihn nahm, und sah Charlies Züge sich entspannen, als er sich Sinclair mit Sarahs Hand auf seinem Ärmelaufschlag zuwandte.
Alathea lächelte in sich hinein. »Sieh an, sieh an, kleiner Bruder -vielleicht war meine Ermahnung ja ganz unnötig.«
Mit einem Gefühl der Befriedigung kehrte sie zu ihren Pflichten als Mit-Gastgeberin zurück.
Für Charlie erwies sich die Bekanntschaft mit dem Fremden - Gabriel hatte ihn als »Mr Sinclair, ein Großinvestor bei der neuen Eisenbahn« vorgestellt - als hochinteressant. Wie er erfuhr, hatte Sinclair Finley House am Rand von Crowcombe gemietet und zog in Betracht, sich in der Gegend niederzulassen.
»Es ist höchst erholsam hier«, lobte Sinclair. »Die sanften Hügel, die grünen Täler und die Nähe des Meeres - wunderbar.«
»Im Frühling, wenn die Hecken und Bäume blühen, ist es besonders hübsch«, sagte Sarah.
Sinclair richtete seine haselnussbraunen Augen auf sie. »Ich habe gehört, dass sich das Waisenhaus oberhalb von Crowcombe in Ihrem Besitz befindet, Miss Conningham - Quilley Farm heißt es, glaube ich.«
»Ja«, bestätigte Sarah. »Meine Patin hat es mir hinterlassen. Derlei Projekte lagen ihr sehr am Herzen.«
Sinclair lächelte höflich und ließ das Thema fallen. Nun, da
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