Sturm der Verfuehrung
Führung an.
Zwei Herzschläge später wandelte sich sein Kuss, wurde sanfter, als zügle Charlie sich, um nun, da der größte Hunger gestillt war, zu genießen.
Sich in den Kuss hineinfallen zu lassen und darin zu schwelgen.
Und sie überließ sich auch jetzt seiner Führung.
Er küsste sie wieder, verwöhnte sie mit köstlichen Liebkosungen.
Nach einer Ewigkeit löste er sich mit einem Seufzer von ihr, fuhr mit dem Daumen über ihre Unterlippe, trat einen Schritt zurück und nahm wieder Sarahs Hand.
Sein Gesicht war ernst. »Kommen Sie. Ich geleite Sie zur Tür.«
Sie lächelte zittrig und ließ sich unter den Ästen hindurch in die Wirklichkeit zurück und über die Rasenfläche zum Haus führen. Er öffnete die Seitentür und trat zurück. Auf der Schwelle drehte sie sich zu ihm um.
Er beugte sich über ihre Hand, begegnete dann Sarahs Blick und sagte: »Wir sehen uns morgen.«
Gerade noch ihr Nicken abwartend, drehte er sich um und ging Richtung Stallungen davon.
Sie sah ihm nach. Und dachte, dass, wie sie Charlie heute erlebt hatte, ihr reichlich Stoff zum Nachdenken gab.
4
Casleigh, Lord Martin Cynsters Heim, war ein riesiges, weitläufiges Herrenhaus voller Antiquitäten, ausgesprochen luxuriös eingerichtet, doch am Dienstagabend, inmitten der Gäste im Salon, nahm Charlie nichts von der Pracht wahr.
Er hatte den Montagabend und den größten Teil des heutigen Tages darauf verwandt, im Geist das Leben zu umreißen, das er mit Sarah zu führen gedachte, sobald sie die Seine war: die Monate in London voller Unternehmungen, wie er sie in den vergangenen zehn Jahren genossen hatte, unterbrochen von gelegentlichen Abstechern aufs Land, um auf Morwellan Park nach dem Rechten zu sehen. So weit - so gut. Aber Sarahs Engagement im Waisenhaus in dieses Zukunftsszenario einzubauen hatte ihm nicht gelingen wollen. Er war auf und ab gegangen und hatte sich den Kopf zermartert und am Ende beschlossen, die Lösung dieses Problems zu vertagen.
Bis Sarah sich bereit erklärt hatte, seine Frau zu werden.
Was das anging, wuchs seine Ungeduld stetig.
Während er bei Leuten stehen blieb, die ihn ansprachen, mit aus langer Übung resultierender Leichtigkeit plauderte und lächelte, suchte er den Raum mit den Augen nach Sarah ab. Sie war da, irgendwo unter den Gästen. Sie hatten beim Dinner nebeneinandergesessen, aber weder bei Tisch noch davor, als sie sich im Salon begegnet waren, hatten sie die Chance für ein privates Wort gehabt.
Oder etwas anderes Privates.
Der Kuss am Montag hinter den Stallungen hatte nur dazu gedient, einen Appetit zu steigern, der keine Steigerung nötig gehabt hätte.
Charlie hörte sie lachen. Er hörte ihr Lachen auf Anhieb unter dem all der anderen Damen heraus. Er folgte der Melodie mit den Augen - und da war Sarah. Sie stand mit einem Gentleman, den er nicht kannte und den sie mit einem bezaubernden Lächeln bedachte, an einer Seitenwand.
Der Anblick machte ihn stutzig. Charlie bezog an der gegenüberliegenden Wand Posten und musterte den Fremden über die Köpfe hinweg. Der Mann erzählte Sarah, die heute Abend ein blaues Seidenkleid in der Farbe ihrer Augen trug, irgendetwas, und sie lauschte ihm aufmerksam. Aber selbst aus dieser Entfernung erkannte Charlie, dass sie es nur höflichkeitshalber tat.
Wenn sie ihn anschaute ...
Er hatte gottlob keinen Grund zur Eifersucht, aber unter anderen Umständen hätte der Gentleman ihm Anlass zur Sorge gegeben. Er war ... es dauerte eine Weile, doch dann begriff Charlie, dass er da einen Gentleman vor sich hatte, der ihm bemerkenswert ähnelte.
Hochgewachsen, breitschultrig, ein wenig korpulenter - aber das lag daran, dass der Mann älter war als er. Ende dreißig, schätzte er. Das Haar des Fremden war eine Spur heller als seines, nicht lockig, sondern glatt, doch es hatte den gleichen Goldglanz.
Das Auftreten dieses Mannes war ebenso selbstsicher, aber er wirkte reserviert, machte keinen Hehl aus seiner aus Überlegenheit geborenen Überheblichkeit. Er schien nicht willens - oder fähig -, den Charme spielen zu lassen, dessen Charlie sich üblicherweise bediente.
»Da bist du ja!«
Charlie schrak aus seiner Betrachtung auf und sah seine ältere Schwester - Halbschwester, um genau zu sein -, in bernsteinfarbener Seide auf sich zugleiten.
Alathea hakte ihn unter und ließ, neben ihm stehend, lächelnd den Blick durch den Raum wandern. »Ich muss mit dir reden.«
Charlie versteifte sich.
Sie spürte es und sagte: »Reg dich
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