Sturm im Elfenland
aber versäumt, es auch zu tun.
Sie stand auf, zog die Kette über den Kopf und legte den Stein auf den Tisch. »Bleib schön da liegen«, sagte sie halb im Scherz.
Schnell wieder ins Bett und dieses Mal die Decke über den Kopf gezogen! Sie lag ganz still und atmete kaum. War da eine Bewegung, ein Geräusch? Nein, es war still. Mitten in der Nacht regte sich nichts im Haus. Keine Schritte, keine Atemzüge außer ihren eigenen.
Mit einem Seufzer entspannte sie sich und kuschelte sich tief in ihr Kissen. Schwer und warm, das Gefühl zu schweben. Schlaf kam auf leisen Sohlen. Die Kette rutschte hoch und kitzelte sie am Ohr. Alana lag starr da, hielt den Atem an und tastete nach dem kitzelnden Ding. Eine Kette. Und an der Kette hing ‒ ihr Stein!
Sie fuhr hoch, riss die Kette über den Kopf, wobei sich eine Strähne ihres Haares schmerzhaft darin verfing, und schleuderte den Stein voller Abscheu von sich. Sie hörte, wie er in der Ecke des Zimmers unter einen Stuhl rutschte.
Mit einem tiefen Seufzer fiel sie zurück in ihr Kissen und bohrte den Kopf hinein. Sie war viel zu müde, um sich Gedanken über die beängstigende Anhänglichkeit des Sternensteins zu machen.
Schließlich schlief sie ein, und ihr Schlaf war voller unruhiger Träume, durch die maskierte rote und schwarze Gestalten geisterten.
Etwas kitzelte Alana an der Nase und sie erwachte mit einem Niesen. Sonnenstrahlen fielen durch das geöffnete Fenster auf ihr Kopfkissen. Es war kalt im Zimmer, der Herbst, so schön sonnig er auch war, brauchte jeden Morgen etwas länger, um Wärme in die Räume des Hauses zu schicken.
Alana beeilte sich, in ihre Kleider zu kommen, und dann rannte sie die Treppe hinunter. Unter dem dünnen Stoff ihres Oberteils hüpfte der Sternenstein auf und ab und schlug im Takt gegen ihre Brust. Eigentlich hatte sie sich an dieses Gefühl längst gewöhnt, aber heute störte sie irgendetwas daran.
»Sverre«, rief sie atemlos, als sie das Haus des Schmieds erreichte. Sie klopfte gegen den Fensterladen. »Sverre! Bist du schon auf?«
Der Zwerg steckte den Kopf aus dem Fenster. »Schon?« Er blickte zum Himmel. »Ich bin schon bald wieder müde, kleine Langschläferin!«
Alana ignorierte den leisen Spott. »Darf ich reinkommen?«
Sverre nickte zur Tür. Sie bemerkte, wie sein Blick ihr folgte. »Geht es dir gut?«, rief er hinter ihr her.
»Danke, ja«, erwiderte sie erstaunt und trat in die Stube.
Sverre ließ sich auf die Bank unter dem Fenster sinken und griff nach seinem Tabakbeutel. »Magst du uns einen Tee machen, kleine Elfe?«, bat er und begann, seine stummelige Pfeife zu stopfen.
Alana nahm den Wasserkessel und stellte ihn aufs Feuer. Während sie im Schrank nach dem Tee suchte, hier eine Dose, dort einen kleinen Krug öffnete und an den Kräutern roch, »Pfefferminze« murmelte und »Brennnessel«, »Hm. Schafgarbe, oder doch lieber Ringelblume?«, hörte sie hinter sich den Zwerg leise im Duett mit dem Wasserkessel summen.
Weil sie sich nicht entscheiden konnte, nahm sie ein paar Fingerspitzen von jedem ihrer Lieblingskräuter und warf sie in die Kanne, bevor sie das heiße Wasser darübergoss.
»Oh fein, Tee«, sagte Ivaylo, der gerade in diesem Moment durch die Tür kam. Er nickte dem Zwerg zu und baute sich mit zusammengekniffenen Augen vor Alana auf, um sie gründlich zu mustern. »Geht es dir gut?«, fragte er dann.
Alana goss Tee aus der schweren Kanne in drei Becher. »Aber ja doch«, erwiderte sie ein wenig ungeduldig. »Was habt ihr denn nur? Sehe ich aus, als ginge es mir nicht gut? Los, trinkt euren Tee. Ich bin so gespannt, was du heute mit uns vorhast, Sverre.«
Sie pustete über ihren Tee und lächelte den Zwerg an, der ihren Blick erstaunlich sorgenvoll erwiderte. »Weißt du noch, was wir gestern getan haben?«
Alana zuckte die Achseln. »Ja, sicher. Wir haben ...« Sie stockte und runzelte die Stirn. »Wir haben uns über die Steine unterhalten. Und über deine Tochter?« Sie verstummte unsicher. Sverre grunzte leise.
»Er hat keine Tochter«, sagte Ivaylo rau. »Hast du wirklich vergessen, was geschehen ist? Dass du umgefallen bist und ich dich in mein Zimmer getragen habe?«
Alana starrte ihn an. »Du willst mich auf den Arm nehmen.«
Sverre schüttelte den Kopf. »Lass gut sein«, sagte er zu Ivaylo. »Es kann passieren, dass ein Bild zu schmerzhaft oder zu unheimlich ist, und dann schützt die Seherin sich, indem sie es für eine Weile vergisst. Es ist wohl besser so.« Sein
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