Sturm: Roman (German Edition)
ein. »Sondern dass du der Welt auch zeigen willst, dass sie den Ausgleich zwischen Ruhe und Sturm schaffen muss, zwischen dem, was ihr im Westen wohl zwei Ausdrucksformen der gleichen Art von Energie nennt.«
»Nicht ganz – aber es kommt in die Nähe«, sagte Jan anerkennend. »Und keine Sorge: Ich will nicht bloß meinen Ruf wiederherstellen und mein Ego befriedigen. In erster Linie will ich, dass der Wahnsinn aufhört, bevor er richtig beginnt. Es darf kein Wettrüsten der Wetterwaffen geben, das aus dem Klimawandel eine Klimakatastrophe macht.«
»… die uns alle treffen würde.« Kinah nickte. »Ja, ich bin vollkommen deiner Meinung und werde dir helfen – mit dem ganzen Wissensschatz meiner Ahnen.«
»Das ist mir sehr wichtig. Aber es gibt leider noch einen Grund, warum ich unbedingt mit dir sprechen wollte.« Jan deutete auf den holografischen Ventura, der wie eingefroren vor ihnen stand. »Diesen Mann. Ich fürchte, dass er nicht länger nur hinter mir her ist, sondern auch hinter dir.«
»Was?«, fragte Kinah erschrocken.
»Ja. Ich war ein Narr, zu glauben, dass das nicht passieren könnte.« Jans Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Ventura ist absolut skrupellos. Weißt du, wie er normalerweise vorgeht?« Kinah schüttelte den Kopf. »Wenn sich Menschen gegen seine Interessen stellen, setzt er sie so lange unter Druck, bis sie aufgeben. Das hat er auch bei mir versucht.«
»Auf welche Weise?«
»Ein zerstochener Autoreifen, eine durchtrennte Bremsleitung, ein Türgriff, der unter Strom stand.« Jans Stimme klang hart. »Ich will nicht behaupten, dass er mich damit umbringen wollte. Es waren Warnungen, und ich habe sie verstanden. Also bin ich für eine ganze Weile abgetaucht, und wir beide haben den Kontakt zueinander verloren. Irgendwann habe ich wieder vorsichtig meine Fühler ausgestreckt, immer bemüht, nicht aus der Deckung zu kommen.«
»Und was tut er, wenn seine Warnungen nicht das gewünschte Ergebnis haben?«, fragte Kinah besorgt.
»Dann weitet er seine Einschüchterungsversuche auf die Familie des Betreffenden aus, was ebenso simpel wie erfolgreich ist«, antwortete Jan. »Er schüttet Blut in den Tornister eines Grundschülers. Sabotiert das Fahrrad eines Teenagers. Legt der Ehefrau ein aufgeschlitztes Haustier ins Bett.«
Kinah starrte Jan entgeistert an. »Psychoterror.«
»Genau. Es ist Psychoterror. Und der lässt sich immer weiter steigern. Deswegen musst du ganz vorsichtig sein, Kinah.«
»Ganz vorsichtig wäre ich, wenn ich mich jetzt umdrehen, weggehen und niemals wiederkommen würde«, sagte Kinah.
Jan schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das würde nicht reichen. Ventura hat dich leider schon auf seinem Radar.«
»Weshalb denn das?«, fragte Kinah. »Wir beide haben uns doch nur dreimal getroffen, und das ist schon Monate her.«
»Aber eines dieser Treffen fand im Institut statt. Damals hast du ein Namensschild bekommen und musstest dich in die Besucherliste eintragen. Erinnerst du dich?«
»Natürlich.«
»Ich glaube, dass die Besucherlisten später ausgewertet wurden«, sagte Jan. »Und weil dein Besuch relativ kurz vor meinem Vortrag stattfand und nicht als beruflich oder wissenschaftlich einzuordnen war …«
»Bin ich in die Liste ›Geliebte oder Verdächtige‹ gekommen.« Kinah strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Schon kapiert.«
Jan sah sie eindringlich an. »Es kann sein, dass sich Ventura irgendwann näher mit dir und deiner Familie befasst. Unabhängig davon, ob wir in Kontakt bleiben oder nicht. In diesem Fall werde ich versuchen, dir per Telefon oder SMS eine Warnung zukommen zu lassen.«
Kinah spürte, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. Jans Worte erinnerten sie an die düstere Prophezeiung ihres Vaters, der sie stets davor gewarnt hatte, dass die bösen Männer, die das Dorf verwüstet und ihre Mutter und ihre Geschwister getötet hatten, eines Tages wiederkommen würden – und dass sie dann Hals über Kopf würde fliehen müssen, wenn sie ihr Leben und das alte Wissen, das ihr Vater ihr als Vermächtnis hinterlassen hatte, retten wollte.
Kapitel 22
Als Kinah geendet hatte, fühlte sich Dirk wie erschlagen. Er hatte Antworten erhalten, aber nicht die, die er sich erhofft hatte. Und er wusste immer noch nicht, wo Akuyi steckte. »Du hattest also seit diesem Gespräch damit gerechnet, dass dir Jan irgendwann eine Warnung zukommen lassen würde, und warst bereit, so schnell wie möglich deine Koffer zu
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