Sturm: Roman (German Edition)
können.
»In Deckung!«, zischte Jurij.
Kinah riss sich ohne ein Wort von Dirk los und hetzte um das von dichtem Nebel umwaberte Flugzeugheck herum. Dirk blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Die Lisunov war weit und breit ihr einziger Schutz vor feindlichem Beschuss. Es gab hier keine Felsen, und falls überhaupt irgendwo Bäume standen, dann waren sie zu weit entfernt, als dass er sie mit ein paar schnellen Schritten hätte erreichen können.
Kaum hatte Dirk das Heck umrundet, griff eine kräftige Hand nach ihm und packte ihn am Kragen. Sie gehörte Biermann, der vor Wut und Aufregung schnaubte. »Hast du eine Waffe?«, herrschte er Dirk an.
Dirk wollte den Kopf schütteln, doch dann fiel ihm die Signalpistole ein, die in seinem Hosenbund steckte. In den letzten Stunden hatte er nicht einen Gedanken an sie verschwendet.
»Was ist?«, donnerte Biermann. »Bist du bewaffnet oder nicht?«
Er hielt ihn mit eisenhartem Griff fest und klang derart aggressiv, dass Dirk instinktiv den Kopf schüttelte. »Nein. Warum?«
»Weil wir uns die Schweinebande gleich schnappen werden«, zischte Biermann. Er versetzte Dirk einen Stoß, der ihn ein Stück zurücktaumeln ließ. Da der Boden nass und schlüpfrig war, strauchelte er und hielt nur mit Mühe das Gleichgewicht.
Der Scheinwerferstrahl erfasste ihn und Biermann, der ihm nachgesetzt war und nun frontal von dem harten, hellen Licht getroffen wurde.
Dirk bemerkte mit Schrecken, wie verändert der grobschlächtige Mann wirkte. Seine Gesichtszüge waren bisher zwar nicht immer freundlich, aber überwiegend beherrscht gewesen. Das war jetzt nicht mehr der Fall, ganz im Gegenteil. Biermanns Miene gemahnte Dirk an einen Kampfhund, der an seiner Kette riss, bereit, jeden zu zerfetzen, der ihm zu nahe kam. Seine Kiefer waren fest aufeinandergepresst, seine Wangenknochen traten hervor, und sein Gesicht sah inzwischen kaum weniger zerschlagen aus als das von John. Das Schlimmste aber war das unheilvolle Feuer, das in seinen Augen brannte.
»Ich werde die Arschlöcher erwischen.« Biermanns Stimme war nicht mehr als ein heiseres Flüstern, und doch hatte Dirk das Gefühl, als würden seine Worte die Geräusche der Hubschrauberrotoren mühelos übertönen. »Die sind schon tot, die wissen es nur noch nicht.«
Das war einer der dümmsten Sprüche, die Dirk kannte, doch aus Biermanns Mund klang er weder lächerlich noch wie eine billige Drohung, sondern wie ein Versprechen, das er um jeden Preis zu halten gedachte.
»Hören Sie«, begann Dirk, ohne zu begreifen, warum er Biermann wieder siezte, »ich kann mir vorstellen, was in Ihnen vorgeht. Es tut mir schrecklich leid, was mit Janette geschehen ist …«
»Mir auch«, unterbrach ihn Biermann und trat zurück in den Schutz der Lisunov. Dirk beeilte sich, ihm zu folgen, obwohl er am liebsten vor diesem Irren davongelaufen wäre. »Ich hätte deinen beschissenen Auftrag nie annehmen dürfen. Du bist schuld, dass Janette tot ist.«
Das war Blödsinn. Dirk hätte Biermann daran erinnern können, dass nicht er den Kontakt zu ihm gesucht hatte, sondern dass Biermann selbst es gewesen war, der den Stein ins Rollen gebracht hatte. Aber er schwieg, denn er konnte sich lebhaft vorstellen, was Biermann dann mit ihm anstellen würde.
»Bislang haben die Idioten noch keine Anstalten gemacht, auf uns zu schießen«, fuhr Biermann fort. Seine Stimme klang anklagend und zugleich erschütternd stumpf, als seien all seine Gefühle abgestorben – bis auf einen grenzenlosen Hass, den er kaum beherrschen konnte. »Aber das hat nicht viel zu sagen. Wir sitzen hier wie auf dem Präsentierteller. Sobald ich mit einer Waffe in der Hand die Deckung verlasse, knallen sie mich ab.«
Irgendetwas stimmte nicht an diesem Gedankengang, so logisch er sich auch anhörte.
Es war allerdings nicht Dirk, sondern Kinah, die Biermann darauf aufmerksam machte. »Warum haben die denn nicht sofort das Feuer eröffnet? Als Dirk und ich aus dem Flugzeug kamen, hätten sie uns doch gleich erschießen können!«
»Warum sollten sie?«, mischte sich Rastalocke ein. Er stand hinter Biermann und neben einem massigen Schatten, der niemand anderes als Lubaya sein konnte. Also hatten sie alle die Notlandung halbwegs unbeschadet überstanden. Dirks Erleichterung darüber wäre allerdings um einiges größer gewesen, hätten sie sich nicht in den äußerst zweifelhaften Schutz eines brennenden Flugzeugs zurückziehen müssen.
»Die alte Schrottmühle schmort
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