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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Arm und das Pochen in seinem Kopf zu ignorieren. Ganz zu schweigen davon, dass er den größten Teil seiner Konzentration darauf verwenden musste, einen Fuß anzuheben und einigermaßen sicher aufzusetzen, bevor er den anderen nachzog.
    Ein Schritt nach dem anderen, zehn, zwanzig, dreißig Schritte, die ihn vorwärts brachten und doch kaum vom Fleck. Die Grotte war einfach riesig. Völlig unmöglich, all ihre Winkel abzusuchen, zumindest bei seinem Zustand.
    Dass er das gar nicht musste, begriff er erst, als er ein Geräusch hörte – und erschrocken zusammenfuhr. Langsam wie ein alter Mann drehte er sich um, in die Richtung, aus der ihn jetzt ein Windstoß traf, als hätte jemand achtlos eine Tür nach draußen offen stehen lassen.
    Es war keine Tür, und er blickte auch nicht ins Freie. Aber es schien der Ausgang aus der Grotte zu sein, den er so verzweifelt gesucht hatte. Und nicht nur das – aus dem düsteren Gang, der sich vor ihm auftat und den er zuvor nicht bemerkt hatte, da er mit dem Grau der ihn umgebenden Felsen verschwamm, waren laute, stampfende Schritte zu hören. Jemand kam eilig auf ihn zu.
    Ein Angreifer – oder jemand, der auf der Flucht war.

Kapitel 14
    Das Pfeifen des Windes schien sich zu steigern, war plötzlich nicht mehr das Wimmern einzelner Böen, die sich an den Kanten und Vorsprüngen des düsteren Ganges brachen, in dem sie seit einigen Minuten unterwegs waren, sondern das Heulen eines gewaltigen, eisigen Gottes, in dessen Reich sie eingedrungen waren. Das Schlimmste war die Kälte, die ihnen der Wind ins Gesicht blies, als würde eine Turbine die eisige Luft eines gigantischen Tiefkühlraums in den Gang treiben. Sie ließ jede Bewegung zur Qual werden, jeden Schritt zu einer Kraftprobe, die zu gewinnen er sich nicht mehr lange würde einbilden können.
    »Nur noch ein kleines Stück, dann sind wir aus dem Gang raus«, sagte die massige Frau, die mitten in der Grotte auf ihn zugestampft war, als sei dies das Normalste auf der Welt, und ihn nun mit der gleichen Selbstverständlichkeit hinter sich herschleifte wie eine rücksichtslose Mutter ihr verängstigtes Kind.
    Dirk hatte sie mit Fragen bombardiert, die sie durch einen vollkommen sinnfreien Redeschwall erstickt hatte, bis er schließlich aufgegeben und sich in sein Schicksal gefügt hatte. Mit schräg nach vorne geneigtem Oberkörper stolperte er voran, bemüht, dem Zerren des Windes ebenso wenig Angriffsfläche zu bieten wie dem schwankenden Vorwärtsdrängen der Schwarzafrikanerin, die sich einen Spaß daraus zu machen schien, ihm seine Hilflosigkeit vor Augen zu führen. Nicht, dass das nötig gewesen wäre. Er war zutiefst erschöpft, wehrlos und unfähig, seine linke Hand aus ihrem viel zu festen Griff zu lösen. Die Luft, die er mühsam ausstieß, um danach immer wieder aufs Neue mit einem fast verzweifelten Atemzug seine Lungen zu füllen, kondensierte zu grauem Dunst und wurde davongewirbelt. Er hatte keinen Zweifel daran, dass auch er fortgerissen werden würde, falls das dunkelhäutige Ungetüm seine Hand losließ.
    »Was soll das?«, keuchte er, als sie erneut ihren Schritt beschleunigte und ihm damit ein Tempo aufzwang, das er kaum durchhalten konnte. »Was haben Sie mit mir vor, Lubaya?«
    »Sieh an, er erinnert sich an meinen Namen!« Die massige Schwarzafrikanerin gab einen Laut von sich, der wie ein höhnisches Lachen klang. Aber Dirk war sich dessen nicht sicher. Er war sich bei überhaupt nichts sicher, was diese Frau in dem weiten, wallenden Gewand anging.
    »Was haben Sie mit mir vor?«, wiederholte er.
    »Ich mit dir?« Lubaya zog ihn mit einer kraftvollen Bewegung zu sich heran, als er ins Stolpern geriet. »Bei unserer letzten Begegnung hast du mir mit einer Knarre vor der Nase herumgefuchtelt, du Spinner. Da frage ich dich: Was hattest du vor? Wolltest du mich erledigen?«
    »So ein Quatsch!«, protestierte Dirk. Zu seinem Entsetzen klang seine Stimme so hilflos wie die eines Schülers, der von einer allseits gefürchteten Lehrerin zusammengefaltet wird und von vornherein weiß, dass Widerstand zwecklos ist. »Ich habe nur … etwas überreagiert.«
    » Überreagiert ist gut«, schimpfte Lubaya und stampfte mit Sumo-Ringer-Schritten weiter, stampf, stampf, stampf, scheinbar unberührt von dem kalten Fauchen, das ihnen entgegenschlug.
    Wie, zum Teufel, konnte das alles überhaupt sein?, fragte sich Dirk. Zum letzten Mal war er dieser fetten Frau in dem muffigen Gang vor Biermanns Büro begegnet, mindestens

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