Sturm ueber Cleybourne Castle
wahren", erwiderte Leona mit gespielter Verlegenheit. „Nun denn ... ja, wir waren zusammen in seinem Zimmer, als der Schrei ertönte. Nun wissen Sie also, dass keiner von uns beiden es war. Ich persönlich glaube sowieso nicht daran, dass die Frau umgebracht wurde. Es war ein Unfall, und Ihnen macht es anscheinend Spaß, die Sache zu übertreiben." Ärgerlich musterte sie Cleybourne und fügte dann hochmütig hinzu: „Ich kann gar nicht mehr begreifen, dass ich einmal etwas für Sie übrig hatte."
„Ich auch nicht, Lady Vesey."
Leona zuckte mit den Schultern und schlenderte aus dem Zimmer. Als die Tür wieder geschlossen war, blickte Mr. Cobb den Duke bewundernd an. „Sind Sie ein Hellseher, Euer Gnaden? Woher wussten Sie, dass die Dame und der geistliche Herr ... ich bitte um Verzeihung, Miss ... ich meine, dass die beiden ..."
„Weil ich diese Nacht Wache gehalten habe. Nach allem, was hier vorgefallen ist, erschien mir das notwendig. Leider war ich gerade ... gerade anderweitig beschäftigt, als Mrs. Woods von ihrem Schicksal ereilt wurde." Richard bemühte sich bei diesen Worten krampfhaft, nicht in Jessicas Richtung zu blicken.
Aber Mr. Cobb war ohnehin noch mit anderen Überlegungen beschäftigt. „Ja, die ist so von der Art, dass mancher sogar seinen Talar vergisst", murmelte er.
Nun wurden die männlichen Gäste verhört, aber das Ergebnis war ebenso wenig befriedigend. Mr. Goodrich rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her und erklärte, er sei in seinem Zimmer gewesen, habe fest geschlafen und nichts gesehen und gehört. Lord Vesey berichtete, er habe sich zu diesem Zeitpunkt hier in eben diesem Arbeitszimmer aufgehalten und ein Gläschen Portwein getrunken. Da Cleybourne das mit eigenen Augen gesehen hatte, erübrigte sich jeder Kommentar. Reverend Radfield bestand ebenfalls darauf, keine nähere Kenntnis von den Vorgängen zu haben. Er saß bleich und reglos auf dem Stuhl und blickte beharrlich auf den Teppich vor seinen Füßen.
„Wo waren Sie, als Sie den Schrei hörten?" wollte Cleybourne wissen.
„Ehem ... in meinem Zimmer ... habe gelesen."
„War jemand bei Ihnen?"
Zum ersten Mal hob Radfield den Kopf und sah den Duke eindringlich an. Dann ließ er ihn wieder sinken und fragte: „Wozu ... wozu fragen Sie danach?"
„Weil es von außerordentlicher Wichtigkeit ist - nicht nur für Sie", erwiderte Richard bedeutungsvoll.
„Ich ... nun ja ... die Sache ist die ..." Der Geistliche räusperte sich und blickte zu Jessica hinüber, die eifrig damit beschäftigt war, seine Worte niederzuschreiben. „Ja", sagte er schließlich halblaut, „es war noch jemand in meinem Zimmer. Ich ...
Sie müssen verstehen ... ich kann aber nicht sagen, wer es war. Es war eine Dame ... ich möchte auf keinen Fall ihren Ruf beschädigen."
„Ich verstehe. Sie scheinen die Dame aber nicht besonders gut zu kennen, wenn Sie befürchten, Sie könnten ihrem Ruf Schaden zufügen."
Verblüfft starrte Radfield den Duke an. „Ich verstehe nicht, Euer Gnaden ..." Ein paar Herzschläge lang sahen sich die beiden Männer in die Augen, dann gab der Diener Gottes nach. Aufstöhnend barg er den Kopf in den Händen. „Was nützt das alles? Natürlich haben Sie Recht ... da gibt es nichts mehr zu beschädigen." Verzweifelt fuhr er sich durch das Haar. „Wenn ich bedenke, dass ich mit diesem Frauenzimmer zusammen war, während sie in den Tod stürzte!" Sein keuchender Atem klang wie ein Schluchzen.
„Wann hat Lady Vesey Ihr Zimmer verlassen?"
Reverend Radfield starrte wieder vor sich hin. „Nach dem Schrei. Wir hörten ihn und rannten hinaus - wie alle anderen." Eine Weile herrschte Schweigen. Dann setzte er mit gequälter Miene hinzu: „Diese Nacht werde ich mein Leben lang bereuen."
Der Nächste war Lord Kestwick, der aufgebracht ins Zimmer stürzte. „Was nehmen Sie sich eigentlich heraus, Cleybourne? Sie lassen mich die ganze Zeit warten, während Sie sich in aller Seelenruhe mit jedem dahergelaufe..."
Als sein Blick auf Jessica fiel, hielt er inne. Ruckartig wandte er sich um und bemerkte, dass auch Cobb ihm ins Zimmer gefolgt war und sich auf einem Stuhl nahe der Tür niedergelassen hatte, die Beine weit von sich gestreckt. „Ich traue meinen Augen nicht mehr!" schrie er wütend. „Soll das etwa heißen, dass wir miteinander reden sollen, solange diese ... diese Leute mit im Raum sind?"
Seinem Gesichtsausdruck nach hatte man ihm soeben vorgeschlagen, seine Wohnung mit Ratten zu teilen. „Es mag
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