Sturm ueber Cleybourne Castle
unverschämter Bursche sein. Mr. Gilpin sagte mir, dass er wochenlang mit in seinem Haus gewohnt und ihm dann den Schmuck förmlich
vor der Nase weggenommen hat. Er ist also nicht auf die gewöhnliche Art im Schutz der Dunkelheit eingedrungen und hat gestohlen, was lohnenswert ist. Wenn der Dieb unter Ihren Gästen ist, Euer Gnaden, dann hat ihn der Aufenthalt in Ihrem Haus bestimmt dazu verlockt, einmal nachzusehen, was er mitgehen lassen könnte -insbesondere wenn er sich für ganz besonders gerissen hält. Diese Einbildung bringt solche Typen zu Fall, das sage ich Ihnen. Glauben, sie hätten die Bauernschläue mit Löffeln gefressen."
„Hm, das klingt überzeugend. Nun, wir werden ja sehen, ob Ihre Überlegungen stimmen. Holen Sie jetzt den ersten Gast herein."
Als Mr. Cobb verschwunden war, sagte Jessica: „Glauben Sie, dass Mr. Cobbs Dieb irgendetwas mit dem Tod von Mrs. Woods zu tun hat? Selbst wenn er derjenige gewesen sein sollte, den Sie in Ihrem Arbeitszimmer überrascht haben?"
Richard hob die Schulter. „Es ist ein ziemliches Durcheinander. Ich bin nicht einmal sicher, ob Mrs. Woods nicht doch einfach nur gefallen ist, wie jeder hier gerne glauben möchte. Es ist nur der Kratzer auf ihrer Wange ... und die späte Stunde ..." Als Erste betrat Lady Westhampton das Zimmer. Die Unterhaltung mit ihr war sehr kurz, denn sie war wegen ihrer Erkältung sehr zeitig zu Bett gegangen und hatte weder etwas gehört noch gesehen, bis der Schrei von Mrs. Woods sie geweckt hatte. Auch Gabriela konnte nicht mehr sagen. Cleybourne schickte die beiden in ihre Zimmer zurück.
Die Nächste war Miss Pargety, und sie war so begierig darauf, ihre Meinung zu dem Vorgang kundzutun, dass sie kaum aufzuhalten war, als sie erst einmal damit begonnen hatte.
„Ich habe von Anfang an gewusst, dass diese Frau für Unannehmlichkeiten sorgen würde", erklärte sie mit unerschütterlicher Sicherheit. „Schon ihr fremdländisches Aussehen. Solche führen meistens etwas im Schilde, da könnte ich darauf wetten. Und dann die ganze Nacht hindurch das Raus und Rein in ihrem Zimmer."
„Haben Sie gesehen, wie Mrs. Woods das Zimmer verließ?" erkundigte Richard sich gespannt.
„Ich habe überhaupt niemanden gesehen. Aber ich konnte sie hören. Es war für einen feinfühligen Menschen sehr schwer, ein wenig Schlaf zu bekommen bei diesem dauernden Türengeklappe." „Aber Sie haben Mrs. Woods dabei nicht genau erkannt?"
„Das allerdings nicht", räumte Miss Pargety widerwillig ein.
„Und die anderen? Haben Sie gesehen, wie ein anderer Gast sein Zimmer verließ? Oder haben Sie eine Stimme erkannt?"
„Ich habe das Kichern von Lady Vesey gehört." Die alte Jungfer verzog angewidert die Lippen. „Aber ich habe nicht gesehen, wohin sie gegangen ist."
Die Letzte der weiblichen Gäste war Lady Vesey. Sie nahm wortlos in dem Sessel Platz und wirkte ungewöhnlich sanftmütig. „Ich fürchte, ich kann Ihnen nichts von Bedeutung mitteilen, Richard", sagte sie seufzend. „Von dem Sturz habe ich nichts gesehen. Ich bin erst aus dem Zimmer gestürzt, als ich den Schrei gehört habe." „Und aus welchem Zimmer kamen Sie da?" erkundigte sich Richard anzüglich.
Leona streifte ihn mit einem raschen Blick und betrachtete dann eingehend ihre Hände. „Ich wüsste nicht, dass Sie das irgendetwas angeht."
„Nun, wenn Sie mit jemandem zusammen waren, dann wäre das ein Beweis dafür, dass Sie Mrs. Woods nicht die Treppe hinuntergestoßen haben."
Empört hob Leona den Kopf. „Als ob ich etwas damit zu tun hätte!"
„Ja, ich kann auch nicht erkennen, was Ihnen der Tod der armen Frau für Nutzen bringen könnte", bekannte Richard entgegenkommend. „Andernfalls würde ich Ihnen gegenüber natürlich mehr Verdacht hegen."
Leona kniff die Augen zusammen. „Es gibt überhaupt keinen Grund, beleidigend zu werden, Cleybourne. Sie wissen genau, dass ich es nicht getan habe. Warum sollte ich auch?" Trotzig warf sie den Kopf in den Nacken. „Nun gut, ich kam nicht aus meinem Zimmer. Aber ich verrate nicht, aus welchem, denn es wäre ein Skandal." „Ich glaube, ich habe da so eine Idee ...", murmelte Richard.
„Das bezweifle ich."
„Wie wär's mit dem von Reverend Radfield?"
Vor Überraschung quollen Leona fast die Augen aus dem Kopf. „Woher wissen Sie ... "
„Was ich von Ihnen hören möchte,, ist die Bestätigung, dass Sie beide zusammen waren, als Mrs. Woods zu Tode stürzte."
„Aber nur, wenn Sie versprechen, Stillschweigen zu
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