Sturm ueber Cleybourne Castle
bestätigte Lord Kestwick. „Sie bauschen die Sache unnötig auf, Cleybourne. Das ist doch alles Unsinn." Richard sah sich im Zimmer um und sagte dann: „Wenn niemand etwas dagegen hat... ich möchte mit Mr. Radfield gern unter vier Augen sprechen." Widerstrebend erhob sich einer nach dem anderen und verließ zögernd den Raum.
„Sie können bleiben, Cobb", wandte sich Cleybourne an den Polizisten, der unschlüssig an der Tür stehen geblieben war. „Und natürlich brauche ich auch ...", er nickte Jessica aufmunternd zu, „meine talentierte Protokollführerin."
Sogleich eilte Jessica zu dem Schreibtisch und legte ein neues Blatt Papier bereit, während Cobb sich mit vor der Brust gekreuzten Armen vor der Tür aufstellte, um jeden Fluchtversuch von Mr. Radfield von vornherein zu vereiteln.
„Nun, Mister...", begann Richard, hielt aber sofort wieder inne. „Ist Radfield überhaupt Ihr richtiger Name?"
„Er ist eigentlich mein Vorname. Ich heiße Radfield Addison. Aber Sie können mich nennen, wie Sie möchten. Ich bin es gewöhnt, auf die unterschiedlichsten Namen zu hören."
„Also gut, dann Mr. Addison. Wie ich schon sagte, bin ich geneigt zu glauben, dass Sie Ihrer Schwester keinen Schaden zugefügt haben."
„Das schwöre ich, bei Gott!"
„Ich glaube aber auch, dass jemand anderes es getan hat. Es sind zu viel merkwürdige Dinge in letzter Zeit geschehen, als dass ich einen Unfall für wahrscheinlich halten könnte. Wenn dem aber so ist, würden Sie sicher bereit sein, uns bei der Suche nach dem Mörder zu unterstützen, nicht wahr?" „Selbstverständlich. Ich werde alles tun, was ich kann."
„Ich erwarte aber auch, dass Sie unbedingt bei der Wahrheit bleiben."
Radfield nickte.
„Ich will nun versuchen, etwas Ordnung in die verschiedenen Vorfälle zu bringen. Sie sind also neulich Nacht in mein Arbeitszimmer eingebrochen. Sind Sie dann eine Woche zuvor auch schon in das Kinderzimmer eingedrungen?"
„In das Kinderzimmer? Was sollte ich dort? Im Übrigen bin ich noch nie zuvor in Ihrem Schloss gewesen, und vor einer Woche saß ich in der Postkutsche, die aus London kam."
„Und Sie haben auch nicht, seit Sie hier sind, ganz zufällig ein hölzernes Schmuckkästchen aus dem Zimmer der hier anwesenden mitgenommen?"
„Aus Miss Maitlands Zimmer?" Kopfschüttelnd blickte Radfield auf die eifrig schreibende Jessica. „Warum sollte ich irgendetwas mitnehmen, das einer Gouvernante gehört? Das ist völlig absurd."
„Nun, ich wollte in dieser Frage auch nur sichergehen. Hat sich Ihre Schwester mit etwas Besonderem beschäftigt, seit sie hier im Hause war?"
„Keineswegs. Sie hat mir sogar am anderen Tag gehörig die Leviten gelesen, als ich ihr von dem Einbruch in Ihr Arbeitszimmer berichtete. Sie fürchtete, dass ich uns in Gefahr gebracht hätte und wir vielleicht an die Luft gesetzt würden. Viel konnten wir allerdings nicht miteinander reden, da wir uns ja nicht kennen durften."
„Und deshalb haben Sie Ihre Schwester die Treppe hinuntergestoßen", mischte Cobb sich ein. „Weil Sie Angst hatten, sie würde Sie verpfeifen. Das mochten Sie gar nicht, nicht wahr?"
„Natürlich nicht. Aber deshalb habe ich sie doch nicht umgebracht. Im Übrigen hatte sie durchaus Recht. Ich hatte unnötiges Aufsehen erregt und den Duke misstrauisch gemacht. Außerdem hatte sie herausbekommen, dass Sie ein Polizist sind. Sie war sehr gewieft." Radfield schluckte heftig und senkte den Kopf.
„Warum ist Ihre Schwester in der Nacht, als sie starb, in Lord Kestwicks Zimmer gegangen?" fuhr Richard fort. „Hat sie Ihnen das gesagt?"
„Zu Lord Kestwick?" erwiderte Radfield verwundert. „Wie kommen Sie darauf, dass sie dort gewesen sein könnte?"
„Weil ich es gesehen habe. Und er hat es auch zugegeben. Er sagte, sie hätten ein Stelldichein gehabt."
Radfield starrte den Duke nach wie vor verstört an. „Das glaube ich nicht. Sie müssen sich irren. Meine Schwester ist seit Jahren nicht mehr in diesem Geschäft tätig. Außerdem wäre das Geld, das sie für eine Nacht bekommen würde, eine Bagatelle gegenüber den Kostbarkeiten in ihrem Koffer."
„Vielleicht wollte sie es nicht für Geld tun."
„Wofür dann? Etwa aus Liebe? Sie hatte diesen Mann doch gerade erst kennen gelernt. Oder zum Vergnügen?" Radfield schniefte verächtlich. „Bettina liebte Männer nicht besonders - außer mich natürlich - denn sie hatte es zu lange für Geld getan. Sie selbst hat mir einmal gesagt, es sei alles nur Geschäft
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