Sturm ueber roten Wassern
»Wir sitzen im selben Boot, Freund. Uns kredenzte er Birnenwein. Als wir vor Durst beinahe umgekommen wären.«
»Ach, wirklich?« Caldris sperrte Mund und Augen auf. »Ha! Leck mich doch am Arsch! Und ich dachte schon, ich sei der größte Idiot auf dem Messing-Meer. Ich hielt mich für den dämlichsten, gutgläubigsten, einfältigsten … äh …«
Er bemerkte die zornigen Blicke, mit denen Locke und Jean ihn anstarrten, und fing laut an zu husten. »Nun ja, meine Herren, ein Unglück kommt selten allein, und ich sehe schon, wie begeistert wir drei darauf aus sind, uns auf diese irrsinnige Mission vorzubereiten.«
»So ist es«, mischte sich Jean ein. »Könnten Sie uns jetzt vielleicht … äh … aufklären, wie es weitergehen soll?«
»Tja, ich schätze, zuerst erzähle ich euch was, und dann beginnen wir mit dem Segeln.
Bevor wir die Götter herausfordern, muss ich euch allerdings ein paar Dinge sagen, also sperrt eure Ohren auf. Erstens braucht man ungefähr fünf Jahre, um aus einem Landlubber einen halbwegs tüchtigen Seemann zu machen. Zehn bis fünfzehn Jahre dauert es, bis aus einem guten Seemann ein halbwegs tüchtiger Marineoffizier wird.
Deshalb merkt euch eines: Ich mache keine halbwegs tüchtigen Marineoffiziere aus euch. Ihr werdet so etwas wie Hochstapler sein, die vortäuschen, etwas von Nautik zu verstehen. Ich versuche, euch so viel beizubringen, dass ihr euch nicht blamiert, wenn ihr vor richtigen Matrosen über Taue und Takelage sprecht, aber das ist auch schon alles. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, seid ihr in einem Monat so weit, dass ihr wenigstens einen Funken Ahnung habt. Damit ihr so tut, als gäbt ihr Befehle, während ihr sie in Wirklichkeit von mir bekommt. Damit ihr euch nicht verquatscht, wenn ihr bloß wiederholt, was ich euch ins Ohr flüstere!«
»Das kann uns nur recht sein«, meinte Locke. »Je mehr Sie in die Hand nehmen, umso besser für uns. Ehrlich.«
»Ich will nur nicht, dass ihr auf einmal größenwahnsinnig werdet und euch als Helden fühlt, die alles wissen. Nicht, dass ihr dann noch anfangt, eigenmächtig den Segeltrimm zu verändern oder den Kurs zu berichtigen. Denn dann würden wir alle sterben, und das ginge so schnell wie ein billiger Fick in einem Puff mit nur einer Nutte. Ich hoffe, ihr seht das ein.«
»Keine Bange, wir werden schon nicht übermütig«, versprach Jean. »Aber wo zur Hölle liegt das Schiff, auf dem wir niemals, unter gar keinen Umständen, so etwas wie eine Entscheidung treffen dürfen?«
»Auf dem Meer«, erwiderte Caldris. »Zum Fischen in eine andere Bucht gefahren, nur damit es nicht am Liegeplatz verrottet. Vorläufig ist dieses Boot hier das einzige, was ihr überhaupt betreten könnt.« Er deutete auf die Jolle. »Auf diesem Kahn werde ich euch unterrichten.«
»Was hat diese Nussschale mit einem richtigen Schiff zu tun?«, wunderte sich Locke.
»Auf dieser Nussschale habe ich segeln gelernt, Kosta. Auf dieser Nussschale fängt jeder an, der einmal ein richtiger Marineoffizier werden will. Diese kleinen Boote vermitteln einem ein Gefühl für die grundlegenden Dinge – man spürt die Bewegungen des Rumpfs bei jedem Wetter und jedem Wellengang. Was man auf einem winzigen Kahn lernt, kann man später auf ein richtiges Schiff übertragen. Und jetzt weg mit euren Röcken, Westen und dem ganzen überflüssigen Firlefanz. Lasst alles an Land, was nicht nass werden darf, denn ich kann für nichts garantieren. Die Stiefel bleiben auch hier. Auf Deck geht ihr barfuß.«
Sobald Locke und Jean sich bis auf ihre Tuniken und Baumwollhosen ausgezogen hatten, führte Caldris sie zu einem großen, geschlossenen Korb, der auf den Steinplatten in der Nähe der festgemachten Jolle stand. Er hob den Deckel ab, fasste hinein und holte ein Kätzchen heraus. »Hallo, du unentbehrliches kleines Monstrum.«
»Mrrrrwwwwww«, grummelte das unentbehrliche kleine Monstrum. »Kosta.« Caldris drückte Locke das sich windende Kätzchen in die Arme. »Passen Sie ein paar Minuten lang auf sie auf.«
»Hmmm … wieso haben Sie das Kätzchen in diesen Korb gesteckt?« Die Mieze, die sich auf Lockes Armen offenbar nicht wohlfühlte, schlang ihre Pfoten um seinen Hals und fing an, ihn mit scharfen Krallen zu bearbeiten.
»Wenn man zur See fährt, kann man auf zweierlei nicht verzichten, andernfalls fordert man das Unglück heraus: Erstens braucht man mindestens einen weiblichen Offizier an Bord, sonst droht einem ein fürchterliches Schicksal. Iono,
Weitere Kostenlose Bücher