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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Himmel wurde heller. Dennoch merkte Locke, wie ihm die Lider immer wieder zufielen. Er gab einen entspannten Seufzer von sich und …
    »An Deck!«, schrie der Ausguck im Fockmast. »Meldet dem Käpt’n, das Schiff hat drei Masten und segelt Nordwest zu West. Marssegel.«
    »Aye, drei Masten, Nordwest zu West, Marssegel!«, brüllte Ezri. »Welche Peilung?«
    »Querab an steuerbord, einen Strich achterlicher vielleicht.«
    »Gib gut Obacht. Ist der Rumpf noch unter der Kimm?« »Aye.«
    »Sowie sie über der Kimm die Röcke lüftet, siehst du genau hin und sagst uns, was darunter ist.« Ezri wandte sich zum Vorschiff und hämmerte mit der Faust gegen das Schott neben dem Eingang. »Schrubberwache, aufstehen! Reise-Reise! Streckt die Beine und geht auf die Abortleinen, dann kommt ihr wieder hier runter, und zwar flott. Bald kämpfen wir, oder wir ergreifen die Flucht. Da sollte man seine Gedärme in Ordnung haben.«
    Locke kam sich vor, als würde er aus einer Tube gequetscht, als er sich zusammen mit den anderen durch die Luke zwängte. Er wurde an Deck geschubst, machte einen Buckel und reckte sich. Jean folgte seinem Beispiel, dann trat er neben Delmastro.
    Locke hob überrascht eine Augenbraue; der kleine Leutnant schien Jeans Konversation in demselben Maß zu tolerieren, in dem sie einen persönlichen Kontakt mit Locke rigoros unterband. Aber Hauptsache, überhaupt einer von ihnen sprach mit Delmastro, fand er.
    »Glauben Sie wirklich, wir könnten Reißaus nehmen?«, erkundigte sich Jean.
    »Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt.« Delmastro spähte blinzelnd über die Reling, doch selbst aus Lockes Perspektive war das Schiff von Deck aus noch nicht zu erkennen.
    »Von da unten können Sie natürlich nichts sehen«, meinte Jean. »Was halten Sie davon, wenn ich Sie auf meine Schultern setze?«
    »Ein Witz über kleine Leute«, erwiderte Delmastro. »Wie originell. Es ist der erste dieser Art, den ich höre. Du musst nämlich wissen, dass ich von all meinen Schwestern die Größte bin.«
    »Sie haben Schwestern«, wiederholte Jean. »Interessant. Ein bisschen von Ihrer Historie … und das kostenlos?«
    »Mist!« Sie funkelte ihn wütend an. »Schieß in den Wind, Valora. Ich hab zu tun.«
    Ein paar Männer kehrten von den Abortleinen zurück. Nun, da sich der erste Ansturm ein bisschen verlief, stieg Locke die Treppe hoch und ging nach vorn, um es hinter sich zu bringen. Mittlerweile hatte er genügend unangenehme Erfahrungen gemacht, um sich mit den Ellbogen den Weg zur Luvseite der schmalen hölzernen Strebe zu erkämpfen – in den Abortleinen auf Lee konnten einem bei jedem Wind verdammt peinliche Sachen passieren. Die Konstruktion bestand aus einer kleinen hölzernen Stütze, die den Bugspriet ein, zwei Yards hinter der Vorpiek kreuzte. Darunter hingen Webeleinen wie bei einer Miniaturrahnock, und gegen diese stemmte Locke nun seine Füße, während er die Hose herunterzog. Weiße Wellenkämme brachen sich am Bug, und die aufspritzende Gischt benetzte seine Waden.
    »Oh Götter«, ächzte er. »Ich hätte nie gedacht, dass Pissen solch ein Abenteuer sein könnte.«
    »An Deck!«, hallte im nachten Moment der Ruf vom Großmast-Ausguck. »Es ist eine Fleute. Rund und fett. Kurs und Segeltrimm unverändert.«
    »Welche Farben?«
    »Keine zu sehen, Leutnant.«
    Eine Fleute. Locke kannte den Ausdruck – ein Kauffahrer mit rundem Heck und einem behäbig gekrümmten Bug. Ideal, um Frachten zu befördern, aber eine Brigg wie die Orchidee konnte diesen schwerfälligen Pott bei jedem Wind aussegeln. Kein Pirat und keine militärische Expedition würde ein solches Schiff benutzen. Sobald sie die Fleute eingeholt hatten, würde es vermutlich zu einem Kampf kommen.
    »Ha!«, murmelte er. »Und ich hänge mit heruntergelassenen Hosen in den Seilen.«

5
     
     
    Hinter ihrer Beute schob sich die Sonne wie eine glühende Scheibe über die Kimm und tauchte den tief im Wasser liegenden schwarzen Umriss in einen karminroten Halbkreis. Locke kniete im Vorschiff an der Steuerbordreling und versuchte, niemandem im Weg zu sein. Er blinzelte und schirmte die Augen mit der Hand ab.
    Der östliche Himmel brannte wie ein Freudenfeuer in rosigen Farben; das Meer glich einem flüssigen Rubin, der sich in einem einzigen gewaltigen Fleck von der aufgehenden Sonne aus immer weiter aufblähte.
    Aus der Kühl der Orchidee stieg an der Leeseite eine Wolke aus schmutzigem schwarzem Qualm auf, der auf unheilverkündende Weise die frische

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