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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Arms bemerkt, und wie präzise sie ihre Handfläche einsetzte – er selbst hatte in seinem Leben mindestens zweimal die Bekanntschaft mit diesem speziellen Schlag gemacht. Tomas, selbst wenn er ein blödes Arschloch war, hatte sein volles Mitgefühl.
    »Agggh«, blubberte Tomas und spuckte Blut.
    »Die Mitglieder der Schrubberwache sind nichts anderes als Werkzeuge«, zischte Drakasha. »Ich erwarte, dass sie in einem brauchbaren Zustand gehalten werden. Man muss sie ordentlich behandeln. Wenn du Spaß haben willst, dann such dir eine andere Unterhaltung. Hier an Bord wird nichts mutwillig kaputtgemacht. Ich halbiere deinen Anteil von der Prise, die wir auf der Kurier erbeutet haben, und deinen Anteil vom Verkaufserlös.« Sie deutete auf die Frauen, die hinter Tomas standen. »Ihr zwei. Bringt ihn nach achtern und holt Magister Treganne.«
    Als Tomas zum Achterdeck geschleift wurde, um sich dort einer überraschenden Visite seitens der Bordärztin zu unterziehen, wandte sich Drakasha an Mazucca. »Am ersten Abend an Bord dieses Schiffs hast du meine Regeln gehört.« »Ja. Ich bitte um Vergebung, Käpt’n Drakasha, aber er hat mich …« »Du hast gehört, was ich sagte, und es verstanden!« »Ja, aber ich war so wütend auf ihn, dass ich …«
    »Eine Waffe anzurühren bedeutet den Tod. Ich habe das klipp und klar gesagt, und trotzdem hast du nach einer gegriffen.« »Ich bitte Sie …«
    »Ich kann dich nicht gebrauchen«, fiel sie ihm ins Wort; ihr rechter Arm schnellte vor, und ihre Finger schlossen sich um Mazuccas Kehle. Die Matrosen ließen ihn los, und er umklammerte mit seinen Pranken Drakashas Unterarm; doch es nützte ihm nichts. Sie fing an, ihn zur Steuerbordreling zu ziehen. »Wenn man hier draußen die Nerven verliert, einen einzigen dummen Fehler macht, kann das den Untergang des gesamten Schiffs bedeuten. Wenn du dich nicht an das halten kannst, was man dir befiehlt, obwohl du ganz genau weißt, was auf dem Spiel steht, dann bist du nichts weiter als nutzloser Ballast.« Würgend trat Mazucca um sich und versuchte sich zu wehren, doch erbarmungslos zerrte sie ihn an die Seite des Decks. Ungefähr zwei Yards vor der Reling knirschte sie mit den Zähnen, zog ihren Arm zurück und schleuderte Mazucca nach vorn, ihre ganzes Körpergewicht in den Schwung legend. Er knallte gegen die Reling, fuchtelte wild mit den Armen und kippte hintenüber. Eine Sekunde später hörte man sein Aufklatschen im Wasser. »Dieses Schiff hat Ballast genug.«
    Mannschaft und Schrubberwache hetzten an die Heckreling. Nach einem flüchtigen Blick auf Locke sprang Jean auf und gesellte sich dazu. Drakasha rührte sich nicht vom Fleck und ließ die Arme hängen. Ihr Zorn schien verraucht zu sein. Auch in dieser Hinsicht glich sie Barsavi. Jean fragte sich, ob sie den Rest der Nacht mit dumpfem Brüten verbringen oder sich sogar betrinken würde.
    Das Schiff hatte beständig vier bis fünf Knoten Fahrt gemacht, und Mazucca schien kein kräftiger Schwimmer zu sein. Er war bereits fünf, sechs Yards von der Bordwand weggetrieben und befand sich circa fünfzehn bis zwanzig Yards hinter dem Heck. Seine Arme und der Kopf hüpften im Rhythmus mit den dunklen Wellen, und er brüllte um Hilfe.
    Abenddämmerung. Jean erschauerte. Auf hoher See die Zeit der Räuber. Das grelle Tageslicht trieb viele fressgierige Kreaturen in die Tiefe hinunter, und für ein paar Stunden war das Wasser sicher. Das änderte sich mit Einsetzen des Zwielichts.
    »Sollen wir ihn rausfischen, Käpt’n?« Ein Matrose war neben Drakasha getreten und sprach so leise, dass man ihn nur in unmittelbarer Nähe verstehen konnte.
    »Nein«, sagte Drakasha nachdrücklich. Sie drehte sich um und ging langsamen Schritts nach achtern. »Wir segeln weiter. Es wird nicht mehr lange dauern, bis man sich seiner annimmt.«

3
     
     
    Am neunzehnten Tag, eine halbe Stunde nach Mittag, brüllte Drakasha, Locke solle in ihre Kajüte kommen. So schnell er konnte, rannte Locke nach achtern, die Bilder von Tomas und Mazucca noch frisch im Gedächtnis. »Ravelle, was zur Hölle ist das?«
    Locke hielt inne, um die Szene in sich aufzunehmen. Drakasha hatte ihren Tisch mitten in der Kajüte aufgebaut. Paolo und Cosetta saßen einander gegenüber und glotzten Locke an; zwischen den Kindern war in einem unergründlichen Muster ein Kartenspiel ausgebreitet. In der Mitte des Tisches lag ein umgekippter silberner Trinkbecher, der viel zu groß war für kleine Kinderhände. Vor Angst

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