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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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mal auf der Bühne gestanden«, schlussfolgerte sie. »Du warst beim Theater.
    Bist du Schauspieler?«
    »Hin und wieder«, antwortete Jean. »Eigentlich sehr selten. Ich war … na ja … wir waren …« Er blickte nach achtern und bereute es sofort.
    »Ravelle«, stellte Ezri fest und beobachtete Jean neugierig. »Ihr beide scheint euch neuerdings aus dem Weg zu gehen. Habt ihr euch gestritten?«
    »Ich möchte jetzt lieber nicht über ihn sprechen.« Jean fühlte sich kühn und ängstlich zugleich; er gab sich einen Ruck und legte eine Hand auf Ezris Arm. »Wenigstens heute Nacht will ich so tun, als gäbe es ihn gar nicht.«
    »Gute Idee«, erwiderte sie und stellte sich so hin, dass ihr Gewicht nicht mehr auf der Reling ruhte; stattdessen lehnte sie sich an Jeans Brust. »Heute Nacht«, betonte sie, »existiert außer uns beiden niemand.«
    Jean blickte auf sie hinunter und hörte plötzlich sein eigenes Herz klopfen. Er sah, wie das Mondlicht in Ezris Augen glänzte, fühlte die Wärme ihres Körpers, sog den Duft ein, den sie verströmte – diese ungemein erregende Mischung aus Brandy, Schweiß und Salzwasser –, und plötzlich war das Einzige, was er noch über die Lippen brachte, ein langgezogenes »Ahhhhhhh …«
    »Jerome Valora«, wisperte sie ihm ins Ohr, »wie blöd bist du eigentlich? Was muss ich noch tun, damit du kapierst?« »Ähhhhhh …«
    »Bring mich in meine Kabine.« Sie grub ihre Finger in den weichen Stoff seiner Tunika.
    »Sie hat Wände, und das gedenke ich auszunutzen. Mit dir.«
    »Ezri«, flüsterte Jean zurück, »es gibt nichts, was ich mir mehr wünschen würde, aber du bist heute schwer verletzt worden, kannst dich kaum noch auf den Beinen halten…«
    »Ich weiß«, erwiderte sie. »Deshalb bin ich ja so zuversichtlich, dass du meine Attacke überleben wirst.«
    »Oh, wenn du denkst, ich sei sooo empfindlich …«
    »Lass es uns herausfinden.« Sie breitete die Arme aus. »Nachdem du mich in meine Kabine gebracht hast.«
    Mühelos hob er sie hoch; sie schmiegte sich an seine Brust und schlang die Arme um seinen Hals. Als Jean sich von der Reling entfernte und auf die Achterdeck-Treppe zusteuerte, sah er sich einem Halbkreis von dreißig, vierzig ausgelassen Feiernden der Fidelen Wache gegenüber. Alle rissen die Hände hoch und begannen übermütig zu johlen.
    »Setzt eure Namen auf eine Liste«, brüllte Ezri, »damit ich euch morgen früh der Reihe nach umbringen kann!« Lächelnd wandte sie sich an Jean. »Aber vielleicht warte ich damit auch bis morgen Nachmittag.«

7
     
     
    »Hören Sie mir nur zu«, bat Locke. »Hören Sie mir so unvoreingenommen zu, wie es Ihnen möglich ist.« »Ich werde mich bemühen.«
    »Ihre … äh … Schlussfolgerungen über Jean und mich sind bemerkenswert. Sie sind logisch, bis auf die Punkte, die ich Ihnen verheimlicht habe. Fangen wir mit meiner Person an. Ich bin kein ausgebildeter Kämpfer. Ich bin ein ganz miserabler Kämpfer. Dabei habe ich versucht, an mir zu arbeiten, aber das Kämpfen liegt mir nun mal nicht im Blut. Nur die Götter kennen den Grund, aber wenn ich zur Waffe greifen muss, endet es immer mit einer Tragödie oder einer Komödie.« »Aber …«
    »Zamira, ganz ehrlich. Ich habe nicht vier Männer getötet, weil ich so gut kämpfen kann. Mir kam der Zufall zu Hilfe, ich hatte einfach nur Glück, nennen Sie es, wie Sie wollen. Auf einen Mann, der zu dämlich war, um nach oben zu schauen, ließ ich ein Bierfass fallen. Zwei Burschen, die von dem herunterstürzenden Fass zu Boden geschleudert wurden, schlitzte ich die Kehlen auf. Der vierte rutschte in der Bierlache aus, und ich hatte leichtes Spiel mit ihm. Als man dann die Toten entdeckte, hielt ich die Klappe und ließ die Leute ihre eigenen Schlüsse ziehen.« »Aber es stimmt doch wohl, dass du diese Erlöser ganz allein angegriffen hast …« »Das ist richtig. Es ist doch nicht ungewöhnlich, dass jemand vor Angst vorübergehend den Verstand verliert. So ging es mir in diesem Augenblick. Wenn ich wirklich allein gewesen wäre, Zamira, hätten die Erlöser mich binnen Sekunden in Stücke gehackt. Jerome hat es verhindert – nur Jerome habe ich es zu verdanken, dass ich jetzt hier neben Ihnen stehen darf.«
    In diesem Moment erklang aus der Kühl ein lautes Gejohle, das den allgemeinen Lärm des Festes noch übertönte. Als Locke und Zamira sich umdrehten, sahen sie, wie Jean mit Leutnant Delmastro in den Armen an der Achterdeck-Treppe erschien. Keiner von beiden sah

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