Sturm ueber roten Wassern
Das Wasser ist herrlich kühl. Komm. Zieh die Tunika aus und spring hinein. Vorbei das Schwitzen, vorbei das Jucken. Bring … die Frau mit. Bring sie mit ins Wasser. Komm.
»Götter«, flüsterte Locke. »Was immer da draußen ist, es kennt meinen richtigen Namen.«
»Meinen auch«, wisperte Jean zurück.
»Ich meine nicht Locke. Es kennt meinen richtigen Namen.«
»Oh. Scheiße!«
Jean glotzte hinunter in das schwarze Wasser und hörte das Tosen der Brecher, die über das unsichtbare Riff rauschten. Das Meer konnte gar nicht kühl sein … es war sicher warm wie Pisse, wie alles andere an diesem verfluchten Ort. Aber das Geräusch … das Geräusch der Wellen war gar nicht so unangenehm. Ein paar Sekunden lang lauschte er entzückt, dann hob er müde den Kopf und stierte in den Nebel.
Er entdeckte etwas – den Bruchteil einer Sekunde lang sah er in den Nebelbänken einen dunklen Umriss. Mannsgroß. Hoch gewachsen, schmal, reglos. Was immer es war, es schien auf dem Riff zu stehen und zu warten.
Jean erschauerte heftig, und der Schatten verschwand. Er blinzelte, als erwache er aus einem Tagtraum. Der Nebel verdichtete sich wieder zu einer undurchdringlichen Wand, das surreale Licht erlosch, das Brausen der Wellen auf der Sandbank klang nicht länger angenehm in seinen Ohren. Der Schweiß rann ihm in juckenden Strömen den Hals und die Arme hinunter, und froh über diese Ablenkung begann er sich heftig zu kratzen.
»Gerade … gerade … äh … vier … und dreiviertel über drei …«, lallte ein Lotgast.
»Zeit!«, schrie Ezri, die selbst aus einem Dämmerzustand zu erwachen schien. »Zeit, Zeit!«
»Es kann doch noch nicht viel Zeit vergangen sein«, nuschelte Locke.
»Als ich auf das Glas schaute, war der Sand runtergelaufen. Ich weiß nicht, wann das passiert ist.« Sie legte einen drängenden Ton in ihre Stimme. »Käpt’n! Zeit!«
»Reise-Reise!«, donnerte Drakasha, als würde das Schiff angegriffen. »Klarmachen zur Halse! West zu Nord! Wind soll räum von backbord einkommen! Rundbrassen!«
»West zu Nord, aye«, wiederholte Mumchance.
»Das verstehe ich nicht«, murmelte Ezri und starrte fassungslos auf ihre Sanduhren.
Erschrocken sah Jean den Leutnant an; die verschwitzte blaue Tunika klebte ihr am Leib, das Haar war wie verfilzt, auf dem Gesicht glänzten Schweißperlen. »Ich habe die Gläser nicht aus den Augen gelassen. Es war, als wäre … die Zeit plötzlich weg gewesen.«
An Deck brach nun Hektik aus. Wieder änderte sich die Windrichtung, ringsum kreisten die Nebelschwaden, und mit präzisen, beinahe sachten Drehungen des Steuers brachte Mumchance sie auf ihren neuen Kurs.
»Götter«, stöhnte Ezri. »So schlimm wie dieses Mal war es noch nie.«
»Wie lange dauert es noch, bis wir hier raus sind?«, fragte Jean, der sich nicht dafür schämte, dass seine Stimme ängstlich klang.
»Das ist unsere letzte Kursänderung«, antwortete Ezri. »Wenn wir nicht so weit nach Süden abgekommen sind, dass wir in den nächsten paar Minuten auf Grund laufen oder sonst etwas in der Art passiert, dann geht es von nun an auf stetem Kurs West zu Nord bis Port Prodigal.«
Sie glitten weiter durch die finsteren Gewässer, und allmählich flaute das seltsame Prickeln auf Jeans Haut ab. Der Dunst verflüchtigte sich; die erste Lücke öffnete sich vor dem Schiffsbug, danach löste sich auch der Nebel achtern langsam auf, und die Dunkelheit wurde klarer. Der Laternenschein durchdrang wieder ungehindert die Nacht, und die tröstlichen Geräusche des Dschungels, der die Passage zu beiden Seiten säumte, erreichten wieder das Schiff.
»Gerade acht!«, brüllte ein Lotgast.
»Das ist die Hauptfahrrinne«, erklärte Drakasha und stieg wieder die Treppe zum Achterdeck hinauf. »Gut gemacht, Leute.« Sie drehte sich um und warf einen Blick über die Kühl. »Nehmt die Laternen wieder ab, lasst nur ein paar als Fahrtlichter draußen, damit wir bei der Einfahrt in den Hafen niemanden überraschen.
Weitermachen mit Loten.« Sie legte die Arme um Mumchance und Ezri und drückte ihre Schultern. »Ich weiß, dass mein Befehl lautete, kein Alkohol. Aber ich finde, wir könnten jetzt alle eine Stärkung vertragen.«
Ihr Blick fiel auf Locke und Jean. »Ihr zwei seht aus, als wäret ihr auf der Suche nach einer Beschäftigung. Hievt ein Bierfass auf Deck, und verteilt am Großmast die Rationen.« Sie hob die Stimme und brüllte: »Ein halber Becher für jeden, der Durst hat!«
Als Jean losrannte, dicht
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