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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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setzte sich auf die Heckducht, und die übrigen Landgänger bemannten die Ruderbänke. In gemessenem Tempo pullten sie durch das ruhige Wasser der Bucht.
    »Wenigstens hat der Idiot endlich aufgehört, die Glocke zu läuten«, murmelte Jean. Er hockte auf der hintersten Ruderbank neben Konar dem Riesen, damit er sich mit Ezri unterhalten konnte. Sie hatte eine Hand ins Wasser getaucht.
    »Ist das klug?«, erkundigte sich Jean.
    »Was, die Hand ins Wasser zu halten?« Mit dem Daumen deutete Ezri über ihre Schulter in Richtung der Mündung der Salon-Passage. »Nachts kannst du sie nicht sehen, aber an den Einfahrten in die Bucht sind riesige weiße Steine in den Boden eingelassen, in ganz gleichmäßigen Reihen.«
    »Steine der Eidren«, murmelte Konar.
    »Uns behindern sie nicht«, erklärte Ezri, »aber sonst kommt nichts an ihnen vorbei. In dieser Bucht gibt es kein einziges Lebewesen; du kannst in der Abenddämmerung mit blutenden Wunden an den Füßen im Wasser schwimmen, und keine Kreatur wird angelockt, um einen Happen von dir zu kosten.«
    »Aber zu nahe an den Kais sollte man lieber nicht ins Wasser gehen. Da ist es nämlich voller Pisse«, ergänzte Konar in beinahe beschämtem Ton.
    »Verdammt noch mal«, erwiderte Jean. »Das hört sich ja gut an. Dass man in der Bucht nicht aufgefressen wird, meine ich.«
    »Tja«, fuhr Ezri fort, »nur für die Fischer stellt das ein riesiges Problem dar. Im Tor der Händler wimmelt es von kleinen Fischerbooten, und das macht das Navigieren für große Schiffe noch schwieriger. Da wir gerade von großen Schiffen sprechen …«
    »Mmmm?«
    »Ich kann die Roter Kurier nirgends entdecken.« »Ah.«
    »Aber sie ist ja auch im Schneckentempo durchs Wasser gekrochen«, fuhr sie fort.
    »Und über einen Mangel an interessanter Gesellschaft brauchen wir uns nicht zu beklagen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Siehst du dort hinten die erste Reihe von Schiffen? Von steuerbord nach backbord ist das erste Schiff die Fischadler, Pierro Strozzis Lugger. Seine Crew ist winzig, sein Ehrgeiz auch, aber er könnte in einem Fass durch einen Hurrikan segeln. Das nächste ist die Königliche Kanaille, Kapitän Chavon Rance. Rance ist ein richtiges Luder, berühmt für ihre Wutanfälle. Danach kommt die Domina, Jacquelaine Colvards Brigg.
    Eine ganz vernünftige Frau, und sie ist länger hier draußen als jeder andere.
    Der große Dreimaster am Ende ist die Tyrann, Jaffrim Rodanovs Schiff. Ein echter Seelenverkäufer. Als ich die Tyrann das letzte Mal sah, lag sie auf dem Strand. Man hatte sie gekrängt, um den Boden zu reinigen. Aber jetzt sieht sie seetüchtig aus.«
    Mit sechs Rudergasten, die sich kräftig in die Riemen legten, dauerte die Fahrt nicht lange. Bald gingen sie an einer verfallenen Anlegebrücke längsseits. Als Jean seinen Riemen einholte, entdeckte er den Leichnam eines Mannes, der sanft im Wasser schaukelte.
    »Ah«, stöhnte Ezri. »Der arme Kerl. In dieser Gegend ist das der Preis für eine wilde Nacht.«
    Drakashas Landungstrupp laschte das Boot am äußersten Ende des Anlegers fest, und dann machten sie sich auf den Weg, als wollten sie ein feindliches Schiff entern, argwöhnisch und die Hände an den Waffen.
    »Heilige Götter!«, krähte ein fast zahnloser Betrunkener, der mitten auf dem Anleger einen Weinschlauch hätschelte. »Drakasha, nicht wahr?«
    »Genau. Und wer bist du?«
    »Banjital Vo.«
    »Nun, Banjital Vo«, sagte Drakasha. »Du garantierst mir für die Sicherheit des Bootes, das wir gerade festgemacht haben.« »Aber … ich …«
    »Wenn wir zurückkommen und es ist noch da, gebe ich dir eine Verrari-Silbermünze.
    Sollte mit dem Boot jedoch irgendetwas passiert sein, lasse ich nach dir suchen. Und wenn ich dich gefunden habe, reiße ich dir deine verdammten Augen aus dem Kopf.«
    »Ich werde … ich werde es bewachen, als gehörte es mir.«
    »Nein«, stellte Drakasha richtig. »Du wirst es bewachen, als gehörte es mir!«
    Sie führte sie vom Anleger herunter und einen leicht ansteigenden Sandweg hinauf, der von Zelten aus Segeltuch, dachlosen Blockhütten und teilweise zusammengestürzten Steingebäuden gesäumt war. Jean hörte das Schnarchen der schlafenden Leute, die in den verwahrlosten Behausungen kampierten, vermischt mit dem leisen Meckern von Ziegen, dem Knurren streunender Köter und dem Flattern aufgeregter Hühner. Ein paar Kochfeuer waren bis auf die Glut heruntergebrannt, aber in diesem Bereich der Stadt hatte man draußen weder Laternen

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