Sturm ueber roten Wassern
Pfeile durch Schießscharten flitzen lassen.
In der Gaststube gab es nur niedrige Tische wie bei den Jereshti, umgeben von Männern und Frauen, die im Schneidersitz hockten, knieten oder auf abgewetzten Kissen lagen. In dem grottenartigen Mief des matt beleuchteten Raumes spielten sie Karten oder sie würfelten, rauchten, zechten, vergnügten sich mit Armdrücken, zankten und versuchten mit einem Lachen die Aufmerksamkeit der herumpirschenden Brutalos von sich abzulenken, die offenkundig Ausschau hielten nach Kandidaten, die sie nach draußen ins Boot befördern konnten.
Die Unterhaltung geriet ins Stocken, als Drakashas Truppe auftauchte; man hörte Rufe wie »Orchidee!« und »Zamira ist zurück!« Drakasha begrüßte die anderen Gäste mit einem neutralen Kopfnicken, dann wanderte ihr Blick langsam nach oben in das zweite Geschoss.
Von der Gaststube aus führten zwei Treppen nach oben; an den Seiten war die zweite Etage nicht viel breiter als ein mit einem Geländer versehener Steg. Über der Bar und dem Eingang verbreiterte sie sich zu Balkonen mit Tischen und Stühlen im Theriner Stil. Jean nahm an, dass die »Hohe Tafel« der Söller war, den er von draußen gesehen hatte. Nun marschierte Drakasha zu der Treppe, die in diese Richtung führte.
Plötzlich knisterte die Luft vor Spannung; zu viele Gespräche verstummten, zu viele Blicke verfolgten jeden ihrer Schritte. Jean knackte mit den Fingerknöcheln und richtete sich darauf ein, dass die Dinge eine interessante Wendung nehmen würden.
Die Treppe mündete in einen durch ein Geländer gesicherten Alkoven, in dessen Rückfront Fenster eingelassen waren, durch die man den dunklen Platz vor der Taverne überblickte. Rote Seidenbanner hingen in Nischen vor alchemischen Lampen, die ein mattes, leicht bedrohlich wirkendes rötliches Licht abgaben. Man hatte zwei breite Tische aneinandergerückt, um Platz für zwölf Gäste zu schaffen, alles eindeutig hartgesottene Seeleute und Schlägertypen, die, wie Jean zu seiner Belustigung feststellte, Drakashas Begleitern nicht unähnlich waren.
»Zamira Drakasha«, sagte die Frau, die am Kopfende der Tafel saß und nun langsam aufstand. Sie war jung, ungefähr in Jeans Alter, und ihre von der Sonne verbrannte Haut und das Netz aus feinen Linien um ihre Augen verrieten, dass sie viele Jahre auf dem Wasser zugebracht hatte. Ihr sandfarbenes Haar war nach hinten gekämmt und zu drei Zöpfen geflochten, und obwohl sie kleiner war als Zamira, schien sie vierzig Pfund schwerer zu sein. Diese Frau war rundlich, aber zäh, und an ihrem Gürtel sah man den stark abgenutzten Griff eines Säbels.
»Rance«, erwiderte Drakasha. » Chay. Die Nacht war lang, meine Liebe, und du weißt ganz genau, dass du an meinem Tisch sitzt.«
»Das ist aber verdammt komisch. Auf dem Tisch stehen unsere Getränke, und auf den Stühlen sitzen unsere Ärsche. Wenn du glaubst, dass der Tisch dir gehört, dann solltest du ihn vielleicht mitnehmen, wenn du die Stadt verlässt.«
»Wenn ich in Geschäften unterwegs bin, meinst du wohl. Mit meinem Schiff kämpfe und die rote Flagge hisse. Du weißt doch, wo das Meer ist, oder? Hast doch sicher schon andere Kapitäne kommen und gehen sehen …«
»Ich habe es nicht nötig, dauernd herumzusegeln, Drakasha. Ich suche mir nur die fettesten Ziele aus.«
»Du hast mich nicht verstanden, Chay. Wenn ich nicht hier bin, ist es mir scheißegal, welcher Hund an meinem Platz Knochen abnagt«, versetzte Drakasha. »Aber wenn ich zurückkomme, erwarte ich, dass der Köter unter den Tisch kriecht, wo er hingehört.«
Rances Leute sprangen von ihren Plätzen hoch; Chay hob eine Hand und setzte ein wildes Grinsen auf. »Zieh blank, du vertrocknete Schlampe, und ich erledige dich nach allen Regeln der Kunst, vor Zeugen. Dann können die Gendarmen deine Crew in den Hafen schleifen, um sie dort grün und blau zu prügeln. Und Ezri kann herausfinden, wie deinen Bälgern ihre Titten schmecken …«
»Worauf wartest du dann noch, Rance? Bildest du dir allen Ernstes ein, du seist imstande, mich zu schlagen?«
»Fordere mich heraus, und ich werd’s dir zeigen!«
»Gleich werden die Rausschmeißer sich um uns kümmern …«, wisperte Jean Ezri zu.
»Nein«, widersprach sie und signalisierte ihm, den Mund zu halten. »Eine Herausforderung ist etwas anderes als ein einfacher Streit. Vor allen Dingen, wenn Kapitäne beteiligt sind.«
»Für alle, die hier am Tisch sitzen!«, brüllte Drakasha und griff nach einer halb
Weitere Kostenlose Bücher