Sturm ueber roten Wassern
füllte einen Spritzer des blauen Weins in ihr Glas und reichte es vorsichtig der Kleinen. Das Mädchen nahm das Glas mit feierlichem Ernst in Empfang, schüttete sich den Inhalt in den Mund und pfefferte das Gefäß dann auf die Tischplatte, wo es klirrend hin und her kullerte.
»Wie PISSE!«, brüllte sie, den Kopf schüttelnd.
»Es hat eindeutig Nachteile«, kommentierte Zamira und schnappte sich das Glas, ehe es vom Tisch rollte, »wenn man Kinder unter Seeleuten großzieht. Aber wahrscheinlich leiste ich selbst den größten Beitrag zu ihrem Wortschatz.«
»PIIIISSSSSEEE!«, quietschte Cosetta, kichernd und mit sich selbst ungemein zufrieden.
»Wirst du wohl still sein«, zischte Zamira.
»Ich weiß einen Trinkspruch«, sagte Kosta und hob grinsend sein Glas. »Auf die Einsicht! Nach all den Wochen habe ich endlich erkannt, wer der wahre Kapitän dieses Schiffs ist.«
De Ferra gluckste in sich hinein und stieß mit ihm an. Ezri hingegen rührte das Glas, das vor ihr auf dem Tisch stand, nicht an und starrte auf ihre Hände. Zamira beschloss, die Unterhaltung rasch zu beenden; Ezri musste dringend unter vier Augen mit Jerome sprechen.
»Es ist schon komisch, Ravelle«, begann Zamira. »Ich wusste nicht, dass ich für deinen Plan plädierte, bis ich mich dabei ertappte, dass ich genau das tat.«
»Sie bringen uns also nach …«
»Ich bringe euch nach Tal Verrar zurück, ja.« Sie schenkte sich von dem blauen Wein nach und trank einen mäßigen Schluck. »Ich habe den Rat davon überzeugt, dass kein Grund zur Panik besteht, wenn aus dem Norden zu hören ist, welchen Unfug wir anstellen.«
»Danke, Käpt’n. Ich …«
»Bedanke dich nicht mit Worten, Ravelle.« Abermals nippte Zamira an ihrem Wein und stellte dann das Glas ab. »Danke mir, indem du dich an deinen Teil der Abmachung hältst. Finde einen Weg, Maxilan Stragos zu töten.«
»Ja.«
»Noch etwas möchte ich klarstellen.« Behutsam drehte sie Cosetta in ihren Armen, sodass das kleine Mädchen über den Tisch hinweg Kosta direkt ansah. »Jeder an Bord dieses Schiffs riskiert sein Leben, um dir diese Chance zu verschaffen. Jede einzelne Person!«
»Ich … ich verstehe.«
»Wenn die Zeit vergeht und wir keine Lösung für das finden, was Stragos euch angetan hat … nun, ewig werdet ihr keinen Zugang zu ihm haben. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um euch zu helfen, bevor er zu dem Schluss gelangt, dass ihr für ihn überflüssig geworden seid. Aber wenn es keine andere Möglichkeit gibt, wenn abzusehen ist, dass ihr Stragos nur beseitigen könnt, indem ihr euch selbst opfert -dann erwarte ich, euch zwei nie wiederzusehen. Kapiert?«
»Sollte es so weit kommen«, warf Kosta ein, »dann schleife ich ihn mit meinen bloßen Händen zu den Göttern, damit diese über ihn richten. Wir gehen zusammen dorthin.«
»Götter!«, zwitscherte Cosetta. »Bloße Hände!«
»Pisse!«, rief Kosta und reckte sein Glas Cosetta entgegen, die gar nicht mehr aufhören konnte zu kichern.
»Danke, Ravelle! Jetzt wird meine Tochter die ganze Nacht nicht schlafen, weil sie dauernd dieses Wort wiederholen muss …«
»Entschuldigung, Käpt’n. Wann brechen wir auf?« »Heute Nacht hat eine Hälfte der Mannschaft Landgang, morgen ist dann die andere an der Reihe. Am Tag danach müssen wir die Leute, die bei uns bleiben wollen, buchstäblich von der Straße kratzen.
Hoffentlich schlagen wir morgen den Rest unserer Prise los. Also segeln wir in zwei Tagen ab. Es können auch zweieinhalb Tage werden. Und dann stellen wir fest, wie schnell die Orchidee fliegen kann.« »Danke, Käpt’n.«
»Das war alles«, schloss Zamira. »Meine Kinder sind schon viel zu lange auf, und wenn ihr alle aus meiner Kajüte raus seid, nehme ich das Privileg in Anspruch, so laut zu schnarchen, wie ich will.«
Kosta war der Erste, der den Wink begriff, seinen Wein austrank und auf die Füße sprang. De Ferra folgte seinem Beispiel und rüstete sich gerade zum Gehen, als Ezri ihn leise fragte: »Jerome, kannst du in meine Kajüte kommen? Nur für ein paar Minuten?«
»Ein paar Minuten?« De Ferra grinste. »Tsk, Ezri, seit wann bist du so pessimistisch?«
»Seit heute«, erwiderte sie, und sein Lächeln erlosch. Betroffen half er ihr beim Aufstehen.
Einen Moment später schloss sich die Tür zu Zamiras Kajüte, und sie war allein mit ihrer Familie; eine Ruhepause wie diese konnte sie sich nur äußerst selten gönnen.
Jeden Abend, während ein paar flüchtiger
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