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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Norden zum Rand des riesigen Elderglas-Plateaus, wo sie dann endlos lange, beängstigend schwankende Treppen aus mürbem Holz hinunterstiegen, dauernd nach oben und unten spähend, aus Angst vor einem Hinterhalt oder Verfolgern. Mitten auf der Treppe kreiste die Welt in einem schwindelerregenden Reigen um Locke, ein Malstrom aus den unwirklichen Farben des Feuers und eines nicht von Menschen geschaffenen Glases. Draußen im Hafen schossen aus dem vierten und letzten Schiff, das anlässlich des Festes verbrannt wurde, Fontänen aus Stichflammen in den Himmel; ein Opfer aus Holz, Teer und Segeltuch, dargebracht vor hunderten kleiner Boote, die vollgepackt waren mit Priestern und Feiernden.
    Am Fuß der Treppe hetzten sie weiter, über die hölzernen Plattformen des inneren Hafens; gelegentlich begegneten sie Betrunkenen oder Bettlern, denen sie mit den Armbrüsten und gezückten Dolchen drohten. Vor ihnen tauchte ihr Anleger auf, ein langer, einsamer Pier, auf dem lediglich eine lange Reihe Kisten stand. Weder Betrunkene noch Bettler waren hier zu sehen. Ihr Boot schaukelte tröstlich auf den Wellen, nur noch hundert Yards entfernt, grell beleuchtet von dem Inferno.
    Die Kisten, schoss es Locke durch den Kopf, doch da war es schon zu spät.
    Zwei Männer traten aus den Schatten, als Locke und Jean an dem Stapel vorbeiliefen; einen offensichtlicheren Ort für einen Hinterhalt konnte es gar nicht geben.
    Die beiden Diebe wirbelten gleichzeitig herum; nur weil sie die gestohlenen Armbrüste bereits schussbereit in den Händen hielten, schafften sie es überhaupt, ihre Gegner ins Visier zu nehmen. Vier Arme schossen vor; vier Männer, die einander so nahe standen, dass sie sich bei den Händen halten konnten, zielten auf ihre jeweiligen Opfer. Vier Finger zitterten, nur noch einen Schweißtropfen weit von den Abzügen entfernt.
    Locke Lamora stand am Pier von Tal Verrar, im Rücken den glutheißen Wind, der von einem brennenden Schiff herüberwehte, während das kalte Metall eines Armbrustbolzens sich in seinen Hals bohrte.

14
     
     
    Er grinste, schnappte nach Luft und konzentrierte sich darauf, mit seiner eigenen Armbrust auf das linke Auge seines Gegners zu zielen; die beiden Männer standen einander so nahe, dass sie sich gegenseitig mit Blut bespritzen würden, sollten beide gleichzeitig den Abzug ihrer Waffen bedienen.
    »Sei vernünftig«, riet der Kerl, der sich Locke gegenüber aufgepflanzt hatte.
    Schweißtropfen hinterließen deutliche Spuren, als sie über seine Stirn perlten und die schmutzigen Wangen hinunterrannen. »Du bist eindeutig im Nachteil.«
    Locke schnaubte durch die Nase. »Dasselbe gilt für dich, es sei denn, du besitzt Augäpfel aus Eisen. Möchtest du mir nicht beipflichten, Jean?«
    Jeans Zehen berührten die Fußspitzen seines Kontrahenten, während ihre Armbrüste in derselben Weise ausgerichtet waren. Auf diese kurze Entfernung konnte keiner sein Ziel verfehlen, selbst dann nicht, wenn sämtliche Götter im Himmel oder anderswo es so gewollt hätten.
    »Ich denke, dass jeder Einzelne von uns vieren … bis zu den Eiern im Treibsand steckt«, erwiderte Jean zwischen zwei Schnaufern.
    Auf dem Wasser hinter ihnen ächzte und knarrte die alte Galeone, in deren Rumpf ein loderndes Feuer brannte und die allmählich von den tosenden, gefräßigen Flammen verschlungen wurde. In einem Umkreis von mehreren hundert Yards war die Nacht taghell; orangefarbene und weißlich gleißende Linien zuckten kreuz und quer über den Schiffsrumpf, als die Plankenstöße an den Fugen auseinanderbarsten. In kleinen, schwarzen Wolken strömte der Qualm explosionsartig aus diesen Höllenspalten, wie die letzten röchelnden Atemzüge einer gigantischen hölzernen Kreatur, die sich in Todesqualen wand. Und inmitten dieses Feuerglastes und des infernalischen Lärms, eines Spektakels, welches die Aufmerksamkeit der ganzen Stadt erregte, standen die vier Männer seltsam allein am Pier. Niemand in den Booten schenkte ihnen Beachtung.
    »Runter mit der Waffe, um der Liebe der Götter willen«, befahl Lockes Gegner. »Wir sind angewiesen, euch nicht zu töten, wenn es nicht unbedingt sein muss.«
    »Andernfalls würdest du natürlich so ehrlich sein und zugeben, dass euer Befehl lautet, uns kaltzumachen«, versetzte Locke. Sein Lächeln wurde breiter. »Ich habe es mir angewöhnt, keinem zu glauben, der mir seine Waffe an die Gurgel hält. Tut mir leid, aber das ist nun mal so.«
    »Deine Hand wird anfangen zu zittern, wenn

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