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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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flüsterte sie. »Dann bin ich einverstanden. Genauso machen wir es.«
    »Soll das heißen, dass du …«
    »Zur Hölle! Mit der Prise, die wir in Salon Corbeau erbeutet haben, kann jedes Crewmitglied der Orchidee sich drei Monate lang sinnlos besaufen, wenn wir in den Geisterwind-Archipel zurückkehren. Zamira wird mich eine Zeit lang gar nicht vermissen.« Sie küssten sich. »Ein halbes Jahr.« Sie küssten sich wieder. »Vielleicht auch ein ganzes – oder meinetwegen auch zwei Jahre.«
    »Es gibt immer die Möglichkeit anzugreifen«, sinnierte Jean zwischen zwei Küssen.
    »Und es gibt immer die Möglichkeit zu fliehen.«
    »Natürlich«, flüsterte sie. »Man muss nur durchhalten, und früher oder später bekommt man immer, was man will.«

12
     
     
    Im silbrig-orangefarbenen Licht des frühen Morgens schritt Jaffrim Rodanov auf dem Achterdeck der Tyrann auf und ab. Ungefähr vierzig Meilen südwestlich von Tal Verrar segelten sie auf einem Kurs Nord zu West, mit raum-achterlich einkommendem Wind an Steuerbord. Die Wellen türmten sich fünf bis sechs Fuß hoch auf.
    Tal Verrar. Noch ein halber Segeltag bis zu der Stadt, die sie während der vergangenen sieben Jahre gemieden hatten wie eine Kolonie von Kranken mit Hautfäule; eine Stadt mit einer Kriegsmarine, die – wenn er sie provozierte – selbst seine kampfstarke Tyrann im Handumdrehen vernichten konnte. In diesen Gewässern gab es keine wirkliche Freiheit, nur eine vage Illusion davon. Fette Kauffahrer konnte er nicht anrühren; eine reiche Stadt konnte er nicht plündern. Doch damit ließ es sich leben. Sogar sehr gut, Hauptsache, die Freiheit und die Prisen der südlichen Meere blieben ihm erhalten.
    »Käpt’n«, sagte Ydrena, die mit einem angeschlagenen Tonkrug an Deck erschien, der ihren üblichen mit Brandy angereicherten Morgentee enthielt. »Ich verderbe Ihnen nur ungern den Beginn eines neuen Tages …«
    »Du wärst nicht mein Erster Maat, wenn ich wollte, dass du mir den Arsch puderst.
    Was gibt’s?«
    »Wir sind frühzeitig hier eingetroffen, aber jetzt segeln wir schon seit einer Woche durch die Gegend ohne irgendeine Spur.«
    »Allein in den letzten beiden Tagen haben wir zwei Dutzend Schiffe gesehen - Kauffahrer, Lugger und Vergnügungsboote«, entgegnete Rodanov. »Aber noch keine einzige Flagge der Kriegsmarine. Offenbar hat sie noch nicht zugeschlagen, und wir finden sie noch rechtzeitig.«
    »An dieser Logik ist nichts auszusetzen, Käpt’n. Aber sie zu finden ist …«
    »Eine ganz beschissene Sache. Ich weiß.«
    »Sie wird ja nicht übers Meer fahren und sich jedem als Zamira Drakasha mit ihrem Piratenschiff Giftorchidee vorstellen«, meinte Ydrena, an ihrem Tee nippend. »›Guten Tag, wir sind berüchtigte Freibeuter vom Geisterwind-Archipel. Haben Sie was dagegen, wenn wir längsseits gehen und an Bord kommen?‹«
    »Sie kann unter falschem Namen auftreten«, räumte Rodanov ein, »auf das Heck pinseln, was immer sie will, den Segeltrimm verändern, bis das Schiff aussieht wie eine schwangere Schebecke – aber der Rumpf bleibt immer derselbe. Er ist aus schwarzem Hexenholz gebaut, und wir kennen seine Form – haben die Giftorchidee jahrelang gesehen.«
    »Jeder Schiffsrumpf sieht aus der Entfernung dunkel aus, Käpt’n. Um Einzelheiten zu erkennen, muss man schon verdammt nahe herankommen.«
    »Ydrena, wenn ich wüsste, was wir anstellen sollten, um Zamira zu finden, dann wären wir ihr schon auf den Fersen, glaub mir.« Er gähnte und streckte sich, und dabei spürte er, wie die wulstigen Muskeln seiner Arme sich geschmeidig bogen. »Bis jetzt haben wir nur gehört, dass ein paar Schiffe ausgeplündert wurden, und jetzt noch Salon Corbeau. Irgendwo da draußen zieht sie ihre Kreise, und sie segelt immer wieder nach Westen. Genauso würde ich es auch machen – Seeraum gewinnen.«
    »Aye«, bestätigte Ydrena. »Und hier gibt es mächtig viel Seeraum.«
    »Ydrena«, knurrte er, »ich habe einen langen Weg auf mich genommen, um einen Eid zu brechen und eine Freundin zu töten. Ich jage sie, wo immer sie sein mag, und wenn ich sie gefunden habe, bleibe ich in ihrem Kielwasser, egal, wie lange die Verfolgung dauert. Wir kreuzen so lange über dieses Meer, bis wir aufeinandertreffen.«
    »Oder die Mannschaft beschließt, dass es genug ist …«
    »Bis es dazu kommt, dürfte es noch eine ganze Weile dauern. Verdopple inzwischen die Ausgucke in den Toppen während der Nacht. Tagsüber werden sie verdreifacht.
    Wenn es sein

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