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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Lornsen?«
    Kalkhoff! Wie würde er reagieren, wenn er keine Antwort erhielt? Über den Zaun steigen und nach dem Rechten sehen?
    »Frau Lornsen! Haben Sie sich verletzt?«
    Seine Stimme klang nicht mitfühlend, eher fordernd, sogar ein wenig triumphierend. Aletta wurde schlagartig klar, dass Hauptmann Kalkhoff jede Gelegenheit recht war, in Insas Leben einzudringen.
    »Geh zum Zaun«, zischte sie ihrer Schwester zu, »ehe er hier auftaucht! Sag ihm, du hast dich verletzt.«
    Insa verstand sofort. Sie ließ Sönke los, der sich nun noch verzweifelter an Aletta klammerte, und ging bis zur Hausecke.
    »Humpeln!«, rief Aletta ihr leise nach.
    Insa verschwand hinkend um die Hausecke, dann war ihre Stimme zu hören. »Moin, Herr Hauptmann! Schon auf den Beinen?«
    Nun klang Kalkhoffs Stimme doch ein wenig besorgt. »Was ist passiert?«
    »Ein Wasserfass ist mir auf den Fuß gefallen«, behauptete Insa. »Haben Sie mich etwa stöhnen hören?«
    »Lassen Sie mich mal sehen«, kam es von Kalkhoff zurück. »Sie brauchen sicherlich eine Bandage.«
    Aber Insa wehrte ab. »Meine Schwester macht das schon.«
    »Und kühlen!«, riet der Hauptmann. »Das ist wichtig.«
    Die Sonne war inzwischen höher gestiegen, Insas Schatten fiel auf den Rasen.
    »Soll ich nicht doch lieber rüberkommen?« Kalkhoffs Stimme war nun voller Anzüglichkeit. »Ich bin ein hervorragender Krankenpfleger.«
    »Nein, danke.« Der Schatten bewegte sich in kleinen Schritten rückwärts.
    »Besser, Sie wären ein bisschen kooperativer! Sie haben ja gesehen, was dabei herauskommt, wenn Sie sich so anstellen.« Seine Stimme war voller Spott: »Ihre arme Schwester!«
    Insas Schatten vibrierte, als trete sie auf der Stelle.
    »Sie sollten ein wenig entgegenkommender sein, Frau Lornsen. Oder haben Sie schon vergessen? Ein paar Tage gebe ichIhnen noch, dann fällt die Entscheidung. Entweder ich schweige, oder alle erfahren die Wahrheit. Sie haben die Wahl.«
    Nun fuhr Insas Schatten herum, Augenblicke später humpelte sie in den Hauswinkel zurück, in dem der Küchengarten lag.
    Kaum war sie aus Kalkhoffs Blickfeld verschwunden, bewegte sie sich wieder sicher und gleichmäßig.
    Ihr Gesicht war blass, die Wut loderte in ihren Augen. »Dieser Widerling!«
    »Er scheint was gegen dich in der Hand zu haben«, sagte Aletta und bemühte sich, diesen Satz nicht wie eine Frage, sondern wie eine Feststellung klingen zu lassen.
    »Der Kerl ist wie verbohrt«, gab Insa zurück. »Der will nicht einsehen, dass er mich mit jemandem verwechselt.«
    Ihre Bewegungen waren unvorsichtig geworden. Angst oder Zorn, vielleicht beides, hatten sie grob und gemütskalt gemacht. Sönke krümmte sich, als sie seinen Fuß berührte, die Küchentür klirrte, als sie aufgestoßen wurde. »Ins Haus! Schnell!«
    Als Sönke es in die Küche geschafft hatte, ließ er sich erschöpft auf einen Stuhl sinken. Aber Insa trieb ihn unbarmherzig in die Höhe. »Willst du hier sitzen, wenn Hauptmann Hütten und Leutnant Fritz zum Frühstücken kommen?«
    Stöhnend hob Sönke sich wieder auf sein gesundes Bein und bewegte sich, von den beiden Schwestern gestützt, auf die Küchentür zu. »Mutter Maria, hilf mir ...«
    »Pscht!«, machte Insa. »Keinen Mucks!«
    Aletta wollte die unbarmherzigen Worte ihrer Schwester mit Trost und Zuspruch mildern, aber dann merkte sie, dass Insas Zorn auf Hauptmann Kalkhoff genau das Richtige erreicht hatte: Sönke war derart eingeschüchtert, dass er tat, was von ihm verlangt wurde. Er klagte nur ganz leise, während er sich die Treppe hochquälte, und humpelte geradewegs auf die Tür zu, hinter der die Stiege zum Speicher hochführte, obwohl er sich augenscheinlich gern am Treppengeländer ausgeruht hätte, bevor er sich an den steilen Aufstieg zum Speicher machte.
    Doch erst als die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, erlaubte Insa ihm eine Pause auf der unteren Treppenstufe. »Wir sind in Sicherheit.«
    Aletta lehnte sich erschöpft an die Wand. »Aber was nun? Das Bein muss geschient werden. Die Wunde muss versorgt werden. Er braucht etwas gegen die Schmerzen. Sonst brüllt er uns das ganze Haus zusammen.«
    Insa sah nachdenklich auf Sönkes Fuß, dann beschloss sie: »Wir müssen Frauke holen. Die kennt sich mit so was aus.« Sie sah Aletta an. »Hol dir das Fahrrad von Okka Mügge. Ich weiß, wo es steht. Und sie wird es heute nicht brauchen.«
    Das Bild der weinenden Frau wollte ihr nicht aus dem Kopf gehen. Eigentlich hatte Aletta sie nicht sehen sollen,

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