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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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ausrichten ...«
    Dirk reagierte mit Schweigen, die Stimme des Wärters sagte: »Sie wollen schon gehen? Ein paar Minuten haben Sie eigentlich noch.«
    In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Hof wieder, und Matta kehrte zurück. Augenblicklich setzte Aletta ihre Hofrunde fort, wieder den Kopf gesenkt, ein Bild des Jammers und des Schuldgefühls, so wie es Matta gernhatte, verzagt, sämtlicher Hoffnungen beraubt.
    In Wirklichkeit jagten ihr die Gedanken durch den Kopf, als ginge es um ihr eigenes Schicksal. Was mochten das für Briefe sein, von denen Emme geredet hatte? Stammten sie von Boncke oder von Sönke? Nein, Sönke schied aus, er war nicht in der Lage, einen Brief zu schreiben, aber bei Boncke sah das anders aus. War Emme auf Liebesbriefe gestoßen und wusste nun, woran ihre Ehe gescheitert war? Hatte sie Boncke, als sie ihm begegnet war, sogar gefragt und sich ihre Vermutungen bestätigen lassen? Dass Boncke sich zu seiner Homosexualität bekannt hatte, konnte Aletta sich zwar nicht vorstellen, aber vielleicht hatte er mit den Briefen unumstößliche Tatsachen geschaffen und konnte sich nicht herausreden! Dann würde Boncke Broders jetzt voller Angst sein, dass sein größtes Geheimnis ans Licht kam. Er wusste, wie man unter Soldaten mit homosexuellen Kameraden umging. Wie mit Abschaum! Sie wurden gequält, physisch und psychisch, lächerlich gemacht und isoliert. Ein Schwuler hatte keinen Freund in der Armee, nur Feinde.
    Aletta dachte an Weikes Zorn und konnte sich vorstellen, dass es Emme genauso ging. Anscheinend konnte sie Dirk nicht verzeihen. Dass sie sich von ihm scheiden lassen würde, bezweifelte Aletta, aber innerlich hatte sie sich bereits mit einem radikalen Schnitt von ihrem Mann getrennt. Ihre Stimme hatte hasserfüllt und sogar rachedurstig geklungen ...Am frühen Abend holte Oberkommissar Henksen sie erneut zum Verhör in sein Büro. Der Sturm brauste mittlerweile über Sylt hinweg, stand brüllend über der Insel, schwankte aufs Meer hinaus und wieder zurück, fuhr dann fauchend hinab und nahm sich, was er wollte. Aletta stellte sich vor, wie das Meer aussehen würde, und wünschte sich nichts sehnlicher, als dabei zu sein, wenn die Brandung aufspritzte, die Wellen über die Plattform sprangen und die Menschen sich bereit machten für den Kampf gegen das Meer.
    Henksen ließ sich auf seinem Stuhl nieder, kniff die kleinen, blassen Augen zusammen und betrachtete sie lächelnd. Anscheinend wartete er darauf, dass Aletta unaufgefordert Platz nahm, aber das passierte ihr nicht noch einmal. Sie hatte gelernt, dass sie hier keine Dame, sondern eine Gefangene war und dass sie besser daran tat, Henksen keine Angriffsfläche zu bieten.
    »Setzen Sie sich!« Dass er sie wieder siezte, hatte sie einmal für ein gutes Zeichen gehalten, ein zweites Mal würde ihr auch das nicht passieren.
    Aletta nahm Platz und wartete, bis Henksen das Schweigen, mit dem er jedes Verhör begann, ausgekostet hatte. Er war wohl der Meinung, dass er damit jeden Missetäter zermürbte, der nach diesem Schweigen unbedingt ein Geständnis loswerden wollte.
    Aletta wartete und hörte, dass im Nachbarbüro eine Tür aufging und sich wieder schloss. Wachsmanns Stimme war zu hören. »Sie wollen also eine Aussage machen? Um welchen Fall geht es?«
    »Dirk Stobart«, sagte eine Stimme, die Aletta kannte.
    Henksen brach nun sein Schweigen. »Fangen wir noch mal von vorn an, Frau Lornsen. Der Abend vor Ihrem Konzert ...«
    Aletta tat so, als schenkte sie ihm ihre Aufmerksamkeit, war aber in Wirklichkeit mit beiden Ohren im Nachbarzimmer.
    »Sie wissen etwas über den Tod von Kai Stobart?«, fragte Wachsmann gerade.
    »Ich habe übrigens von einem Fachmann gehört«, erklärte Henksen schadenfroh, »dass Ihre Stimme nicht das geboten hat,was ein Kunstkenner gewöhnt ist. Sie dachten wohl, vor einfachen Soldaten brauchten Sie sich nicht anzustrengen?«
    Aletta schwieg, weil sie sich nicht provozieren lassen wollte und weil sie nicht gleichzeitig mit Henksen reden und auf das Gespräch im Nachbarbüro lauschen konnte.
    »Ich war dabei, als Kai Stobart starb. Er wurde von seinem Bruder erschlagen, das kann ich bezeugen.«
    Nun wurde auch Henksen aufmerksam. Er sprang auf und riss die Tür auf. »Was sagen Sie da? Sie bezeugen, dass Dirk Stobart seinen Bruder umgebracht hat? Vorsätzlich?«
    »Er hat sich von hinten angeschlichen und dann zugeschlagen«, kam es zurück. »Das war in der Nähe von St. Niels. Und dann hat er die Leiche

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