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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Jedenfalls jetzt noch.«
    »Wie geht’s deiner Frau?«
    Jorits Miene, die soeben noch hell gewesen war unter dem Licht des Eifers und der Neugier, verdüsterte sich prompt. »Es ändert sich nichts. Es geht ihr jeden Tag gleich schlecht.«
    »Erkennt sie dich?«
    »Manchmal kommt es mir so vor, aber dann wieder ... ich weiß es nicht.« Er schob den Schleier beiseite, der sich über seine Augen gelegt hatte. »Nun sag schon! Was will Reik Martensen von dir?«
    »Von mir gar nichts. Er will ...« Plötzlich öffnete sich eine Tür ihres Herzens, sie wusste mit einem Mal, dass sie die vielenFragen rauslassen durfte, die sie quälten. Diese Tür führte direkt in Jorits Herz hinein, in sein Vertrauen, in seine Verschwiegenheit. Schon früher hatte sie vor ihm alles ausbreiten und bloßlegen können, auch deshalb hatten ihre Lügen, bevor sie von Sylt floh, besonders schwer gewogen. »Können wir uns treffen? Heute Abend?«
    Er sah sie aufmerksam und ein wenig kritisch an. »Geht’s um Martensen? Er ist ein Verehrer von dir. Und er hat sich überall nach der Familie Lornsen erkundigt.«
    »Du bist der Einzige, mit dem ich reden kann. Insa darf nichts davon erfahren.«
    Jorit nickte ernst, als erschiene es ihm selbstverständlich, dass er dazu ausersehen war, Alettas Vertrauter zu sein. Wenn einmal Tomma, Ludwig und Alettas ungeborenes Kind zwischen ihnen gestanden hatte, so war jetzt nichts davon zu spüren. Hätte sie es beschreiben müssen, wäre Aletta versucht gewesen, von Freundschaft zu reden, aber nur deshalb, weil es kein Wort für das gab, was sie mit Jorit verband. Nein, Freundschaft war es nicht, obwohl die Freundschaft als wichtiger Teil dazugehörte. Liebe war es nicht mehr, obwohl die Erinnerung an ihre Liebe das Gefühl ermöglichte, für das sie in diesem Augenblick so dankbar war. Es waren wohl vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der der eine bitten konnte und der andere sich bitten ließ, und die Gewissheit, dass beides richtig war und keiner Erklärung bedurfte. Ein Vertrauen, wie man es nur sehr guten Freunden und den Menschen, die man liebt, entgegenbringt. Also hatte es wohl doch etwas mit Freundschaft und auch mit Liebe zu tun. Trotz ihrer Liebe zu Ludwig und trotz der Enttäuschung, die sie Jorit einmal zugefügt hatte ...
    Ein Mann in der Uniform eines Oberleutnants kam vorbei. Ein noch junger Kerl mit einem glatten Gesicht und hellen, klaren Augen, die wie Metall glitzerten. Kühl waren sie und seine Lippen so schmal, als wollte er ständig seine Missbilligung ausdrücken.
    Jorit nahm Haltung an und grüßte zackig. »Moin, Herr Oberleutnant!«
    Der Mann blieb stehen und bedachte Jorit zu Alettas Erstaunen mit einem kumpelhaften Blick. »Endlich habe ich den ersten dieser Kerle erwischt, die sich vorm Kriegsdienst drücken wollen. Bei seiner alten Tante hatte er sich versteckt. So ein mieser Feigling! Bringt die gute Frau auch noch in Gefahr!« Er lächelte, so dass seine Lippen gar nicht mehr zu sehen waren. »Feiglinge eben! Alles Feiglinge!«
    Aletta spürte, dass ihr die Knie weich wurden. Am liebsten hätte sie nach Jorits Arm gegriffen, um sich festzuhalten.
    Der hatte ebenfalls mit seiner Fassung zu ringen. »Kennen Sie den Namen, Herr Oberleutnant?«, fragte er.
    Er bekam ein Schulterzucken zur Antwort. »Habe ich vergessen! Aber der Name wird früh genug am Rathaus angeschlagen. Jetzt ist er erst mal verhaftet und sitzt ein. Dann wird wohl ein Exempel statuiert.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Jorit.
    »Heute Abend werde ich es wissen«, entgegnete der Oberleutnant. »Öffnen Sie wieder Ihren Weinkeller? Dann erzähle ich es Ihnen.«
    »Natürlich«, stotterte Jorit. »Für Sie immer gern.«
    Nun begriff Aletta, wen sie vor sich hatte: den Soldaten, der im »Hotel Lauritzen« einquartiert worden war. Jorit hatte von ihm gesprochen, von einem Willem Schubert, dessen Aufgabe es war, nach den Deserteuren zu fahnden.
    »Der Kommandant wird den Befehl zur Erschießung geben«, vermutete Oberleutnant Schubert. »Und wenn Sie mich fragen, zu Recht. Was mit der alten Tante geschieht, wird sich zeigen. Ins Gefängnis kommt sie auf jeden Fall. Schon wegen der Abschreckung! Aber wie ich Oberst von Rode kenne, lässt er sie leben. Ob das Abschreckung genug ist? Besser wäre, sie würde gleich neben ihren Neffen an die Wand gestellt. Wetten, dass die andere Deserteure dann aus ihren warmen Nestern geworfen werden?«
    Er lachte meckernd, dann gönnte er Aletta einen langen und sehr

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