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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Aber war das ein Grund, sich zu schämen?
    Diese Frage wurde augenblicklich von der nächsten verdrängt. Wo war Sönke? Wenn sie ihm nur helfen könnte! Sie würde es tun, das wusste sie! Allen Gefahren zum Trotz! Sie hatte ihm zu Beginn seines Lebens geholfen, sie würde es wieder tun.
    Als sie die Maybachstraße überquert hatte, hörte sie schnelleSchritte hinter sich. Kurz darauf war Jorit an ihrer Seite. »Warte!«
    Aletta fuhr empört zu ihm herum. »Hat deine Schwiegermutter gesehen, dass du mir gefolgt bist? Wieso erweckst du den Eindruck, dass du deine Frau mit mir betrügst?«
    Jorit sah sie erschrocken an. »Aber ... das wollte ich nicht. Ich habe mir große Mühe gegeben ...«
    »Eben! Warum gibst du dir Mühe, diesen Eindruck nicht zu erwecken, wenn es gar nicht nötig ist, sich zu bemühen? Wir lassen uns nichts zuschulden kommen.«
    Jorit griff hastig nach Alettas Arm. »Ja, ja, aber ... meine Schwiegermutter ist immer so misstrauisch. Sie kann nicht glauben, dass ich mich damit abfinde, mit einer schwerkranken Frau verheiratet zu sein. Sie führt mir immer wieder meinen Anteil an Tommas Schicksal vor Augen.«
    Aletta schüttelte den Kopf. »Weil es geschah, als sie dein Kind zur Welt brachte?«
    »Ich glaube, sie würde mir eine Liebschaft zugestehen, wenn gesichert wäre, dass ich Tomma nicht im Stich lasse.«
    »Ich soll diese Liebschaft sein?«, fragte Aletta wütend zurück.
    »Eben nicht«, beschwichtigte Jorit. »Deswegen habe ich ja versucht ...«
    Sie ließ ihn nicht ausreden. »Ja, du hast versucht, deinen Schwiegereltern weiszumachen, zwischen uns gäbe es nichts als eine gemeinsame Erinnerung, die so lange zurückliegt, dass sie ohne jede Bedeutung ist. Das haben sie gemerkt! Und genau deshalb werden sie nun glauben, dass mehr ist zwischen uns, als wir zugeben.«
    Jorit sah sie verwirrt an. »Ich verstehe dich nicht. Ich wollte doch nur ...«
    Aletta schnitt seinen Satz mit einer energischen Handbewegung ab. »Versuch’s nicht zu erklären. Es wird mit jeder Begründung schlimmer.« Sie blieb stehen und sah sich um. »Haben deine Schwiegereltern gemerkt, dass du mir nachgelaufen bist?«
    Jorit winkte ab. »Nein, ich bin erst losgegangen, als sie in ihrem Zimmer waren. Und ich habe erwähnt, dass ich mich hinlegen wollte. Mein Dienst hat früh begonnen.«
    »Und wenn sie aus dem Fenster geschaut haben? Dann wissen sie, dass du sie belogen hast. Wer lügt, hat etwas zu verbergen.«
    Jorit sah auf seine Schuhspitzen wie ein kleiner Junge, der gescholten wurde. »Bist du wirklich nur gekommen, um Beeke zu begrüßen?«
    Aletta zögerte, dann antwortete sie fest: »Ja, nur deshalb.«
    Er nickte, als hätte er nichts anderes erwartet, und schwieg. Aber er schwieg so reuig und schuldbewusst, dass Aletta etwas tun und sagen wollte, was die Schwermut löste. »Ich habe gelesen, dass ihr immer noch hinter den Entenjägern her seid. Habt ihr etwa schon auf sie geschossen?«
    »Du denkst an Sönke?« Er wartete ihre Reaktion nicht ab, sondern fuhr gleich fort: »Während der letzten beiden Nächte sind keine Blinkfeuer gesehen worden. Hoffentlich ist das ein gutes Zeichen.«
    »Natürlich! Sönke hat mitbekommen, wie gefährlich es ist, wenn er heimlich auf Entenjagd geht.«
    »Oder er ist verhaftet oder sogar erschossen worden.«
    Aletta sah Jorit erschrocken an. »Das hältst du für möglich?«
    »Ich habe nachts öfter Schüsse gehört. Vielleicht liegt er schon irgendwo tot in den Dünen. Oder sie haben ihn geschnappt, und er wartet irgendwo auf sein Urteil. Wer sollte sich darum kümmern? Sönke hat keine Familie.«
    »Was ist mit Dirk Stobart? Er würde es nicht zulassen.«
    »Dirk wird es nicht wagen, sich öffentlich für Sönke einzusetzen.«
    Aletta warf Jorit einen Blick zu, den er nicht erwiderte. Wusste er, dass Dirk Stobart homosexuell war? Hatte Dirk es trotz aller Schuld, die daraus erwachsen war, nicht geschafft, seine Veranlagung zu verstecken? Sie spürte eine Gänsehaut über ihrenRücken laufen. »Vielleicht hat er irgendwo einen Unterschlupf gefunden, wo ihm geholfen wird.«
    »Wer hilft schon einem Deserteur? Würdest du das tun? Die Strafe ist hart, wenn jemand dabei erwischt wird. Wir haben Krieg! Im Krieg werden Deserteure erschossen, und manchmal geht man mit ihren Helfern genauso um.«
    Sie schwiegen. Aletta blickte kurz auf, um in Jorits Gesicht etwas zu lesen, er ließ die Augen hochschnellen, um zu sehen, was sie dachte. Schließlich setzte Aletta sich in Bewegung, und

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