Sturm ueber Thedra
überwältigte ihn fast, doch mengte sich auch ein Tropfen Bitterkeit in den süßen Wein. Llauks Blick fiel auf den Steinboden. Das Blut eines Besiegten klebte dort in großen, eingetrockneten Flecken und mischte sich langsam mit dem verschütteten Wein des Verräters. Hier war gekämpft worden. Hier und in der ganzen Stadt. Wieviele Leben mochten es sein, zu deren Erlöschen Llauk beigetragen hatte? - Wieviele mochten es noch werden? - War er dazu in die Welt gezogen, um zum Verräter, zum Mörder zu werden?
Llauk faßte einen Entschluß. - Egal wie die Sache auch ausgehen mochte, ob Sed eb Rea ihn nun zum Gouverneur machte, oder nicht, Llauk war jedenfalls nicht mehr bereit, ihm allzu folgsam in die Hände zu spielen. - Wenn er Einfluß bekam, dann würde er ihn auch anzuwenden wissen. Sed eb Rea vertraute ihm bis zu einem gewissen Grade - das konnte ein entscheidender Fehler sein. - Denn immerhin hatte er selbst dafür gesorgt, dass Llauk über eine große Erfahrung als Intrigant und Verräter verfügte.
Llauk trank den Becher leer, löschte die Lichter und legte sich auf das Bett. Seine Entscheidung stand fest: Er würde für den Dramilen weiter zum Schein den Hund spielen, wenn der es wünschte, aber im entscheidenden Moment würde der Hund seinem Herrn zwischen die Beine springen - und ihn zu Fall bringen. Llauk würde Sed eb Rea stürzen, irgendwann!
Bald schon schlief Llauk mit einem Lächeln auf den Lippen ein und wurde zum ersten Mal, seit er Sed eb Rea kennengelernt hatte, nicht von Alpträumen geplagt.
In vollständiger Stille glitt die `Große Geliebte' am Rand des Hafenbeckens entlang auf den Wachfelsen zu. Die Riemen des Beiboots, das sie zog, verursachten nicht das geringste Geräusch.
Sed eb Rea stand sinnend auf dem Achterdeck und schaute auf die Felstürme der Stadt. Ganze fünfzig, zumeist verletzte Kämpfer hatte er in Thedra zurückgelassen. Die Stadt schlief.
Der Kapitän wußte, dass das große Hafenschutztor fest in der Hand seiner Leute war, trotzdem machte er sich Sorgen. Die nächtliche Fahrt der Großen Geliebten konnte den endgültigen Sieg über Thedra bringen - oder den endgültigen Untergang von Sed eb Reas Streitmacht. Alles hing davon ab, wie viele Scharleute sich im Schwalbenhafen befanden und wie gut sie bewaffnet waren.
Immer größer wurde der Wachfelsen vor dem Bug des Schiffes. Turmhoch ragte er in die dunstige Dunkelheit des wolkenverhangenen Himmels. Schweigend warteten knapp zweihundert Kämpfer auf dem Deck darauf, dass der Kapitän ihnen das Zeichen gab. Nichts war mehr zu bereden. Die Anweisungen der Offiziere waren klar genug gewesen.
Die `Große Geliebte' würde von dem Boot bis zur Rückseite des Wachfelsens geschleppt werden. Dort würden die Kämpfer ohne Harnisch, nur mit Schwert und Bogen bewaffnet, in das eiskalte Hafenwasser steigen und versuchen, den Schwalbenhafen, eng am Fels entlang schwimmend, zu erreichen. Dort hieß es dann nur noch: Kampf bis zum Sieg! - `Oder bis zum Untergang', mochte mancher der Männer in Gedanken hinzugesetzt haben, denn Sed eb Reas Truppe war nicht in der besten Verfassung! Der Anblick des gewaltigen Tores, mit dem die Thedraner ihre Fliegenden Schiffe schützten, der Anblick dieses unglaublichen Wunders der Handwerkskunst und des Reichtums, hatte vielen von ihnen den Mut geraubt. Sie sahen sich schon von stählernen Pfeilen durchbohrt, von stählernen Klingen erschlagen und in stählernen Käfigen gefangen.
Die Männer im Boot hörten auf zu rudern. Die `Große Geliebte' hatte ihren Bestimmungsort erreicht. Schweigend gab Sed eb Rea das Zeichen, und schweigend legten die Kämpfer ihre Umhänge ab. Einer nach dem anderen glitt lautlos in das Wasser, wobei die Männer die verschiedensten Holzgegenstände als Flöße benutzten, um ihre Waffen zu transportieren.
Als letzter ließ sich Sed eb Rea in das nachtschwarze Wasser hinab. Schon nach wenigen Schwimmzügen merkte er, wie die Kälte begann, seinem Körper die Kraft auszusaugen. Trotzdem hielt er mit der Rechten eisern seinen Dolch umklammert, bereit, jeden zu erstechen, der es wagen sollte umzukehren.
Die ersten Dramilen, die aus den nächtlichen Fluten auftauchten, waren von den Scharleuten sofort bemerkt worden. Sie waren zum Strand hinuntergeeilt, und die ersten Angreifer hatten die Kühnheit ihres Befehlshabers mit ihrem Leben bezahlt.
Als aber immer mehr Feinde aus dem Wasser hervorkamen, hatten sich die Scharleute zurückziehen müssen. War jeder von ihnen
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