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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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Finderschiffe mit insgesamt dreihundert Schwertkämpfern und Bogenschützen den ausgeglühten Wachfelsen passierten und in den Hafen von Thedra einliefen. Die Kapitäne hatten den Brand von hoher See aus entdeckt und sich vorsichtig genähert. Als sie erkannt hatten, dass es wirklich der Wachfelsen war, der da brannte, hatten sie gar nicht mehr auf das verabredete Zeichen gewartet, sondern hatten direkten Kurs auf den Hafen genommen. Bis zur Taggleiche war Thedra von einer so starken dramilischen Macht besetzt, dass jede Gegenwehr zukünftig im Keim erstickt werden konnte.
    Trotzdem war Sed eb Rea beunruhigt. Der obere Teil der Königsklippe war zwar immer noch in thedranischer Hand, aber wen interessierte schon die Königsklippe? Sollten die Vornehmen der Stadt doch verhungern, verdursten, oder an Skorbut sterben, wenn sie wollten. Die Zeit arbeitete für Sed eb Rea. Er hatte die Stadt und die Häfen, und seine toten Soldaten waren zumindest teilweise ersetzt. Was konnte sich ein Feldherr mehr wünschen?
    Was Sed eb Rea sich mehr als alles andere gewünscht hätte, war eines der Fliegenden Schiffe, am besten mit einer erfahrenen Besatzung. Er hatte fest damit gerechnet, den Schwalbenhafen im Handstreich nehmen zu können und wenigstens eines dieser wunderbaren Schiffe zu erbeuten. Auch hatte er damit gerechnet, sich irgendwie mit einigen Scharleuten einigen zu können, sie zu bestechen oder zu erpressen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Aber diese Frauen und Männer in ihren gelbseidenen Anzügen hatten gekämpft wie Sed eb Rea es noch nie erlebt hatte. Nicht eine und nicht einer von ihnen hatte sich ergeben. Es war eine traurige Tatsache: Es gab keine Scharleute mehr in Thedra, die Sed eb Rea hätte bestechen oder erpressen können! Wie also sollte er den Fliegenden Schiffen trotzen, die sicher bald vor der Hafeneinfahrt auftauchen würden? Jetzt saß er hier auf einem Berg von Beute und mußte sich schon Sorgen darüber machen, wie er sie nach Hause bringen sollte.
    Und noch einen Stachel gab es im Fleisch des Dramilen, den er nur schwer verwinden konnte: Mit den dramilischen Finderschiffen waren gleichzeitig drei große Frachtschiffe des Kaisers eingelaufen, um den `Tribut des Siegers' abzuholen, denn selbstverständlich würde man nun darangehen, die Stadt bis auf die letzte Zinnmünze auszuplündern.
    Es war einer von Sed eb Reas schwersten Gängen gewesen, den geplanten Raubzug beim Kaiser in Isco anzumelden. Es widersprach seiner Feldherrenmentalität zutiefst, seine Pläne vor anderen aufzudecken, und doch hatte es keine andere Möglichkeit gegeben. Wären die Dramilien, ohne diese Formalität zu erledigen, über Thedra hergefallen, so hätte der Kaiser die Westlichen Inseln für Gemeingut erklärt, und jede seefahrende Nation hätte alles darangesetzt, sich ihren Teil zu holen. - Es wäre das Ende des Hauses Dramil gewesen.
    Ferner hatten die kaiserlichen Beamten auf den Frachtern die Aufgabe, sich um die Einhaltung der kriegsrechtlichen Bestimmungen zu kümmern. Morde, Brandschatzungen und Vergewaltigungen waren nicht erwünscht und zogen langwierige Verhandlungen und eine Erhöhung des Tributs an den Kaiser nach sich. - Eine sehr unangenehme Bestimmung, besonders für die Soldaten, die sich nach der Zeit der Kämpfe gern ein wenig vergnügt hätten.
    Aber die erfahrenen Soldaten fanden auch so noch etwas Zerstreuung, das wußte Sed eb Rea. Ein paar Schläge mit der flachen Klinge durfte man schon austeilen, wenn sich so eine Krämerseele der Plünderung widersetzte - und was die Frauen anging - man konnte ja dafür sorgen, dass sie nicht schrien.

    Auf dem Platz am Schneckenhafen herrschte Gedränge.
    Schon seit der Tagteilung hatte Sed eb Rea seine Herolde durch die Stadt geschickt, die die Thedraner aufgefordert hatten, vor der Abenddämmerung friedlich und ohne Waffen zum Versammlungsplatz zu kommen.
    Noch war alles ruhig in der Stadt. Die Kämpfe waren vorüber und die Plünderungen hatten noch nicht begonnen, und so waren viele Thedraner der Aufforderung aus reiner Neugier gefolgt. Endlich würde man erfahren, was in den vergangenen beiden Nächten wirklich geschehen war. Klar war bislang eigentlich nur, dass die Stadt in der Hand der Dramilen war und die Verteidigung durch die Scharleute versagt hatte.
    Während des Tages hatte der Wind aufgefrischt, und die Temperatur war spürbar gefallen. Als die Zeit der Versammlung gekommen war, wehten feine Schleier dünnen Schnees über die Menschen

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