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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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Ossek ihr beigebracht hatte, um ihre Ohnmacht glaubwürdig erscheinen zu lassen, war sie unverletzt. Übellaunig nahm sie das Frühstück entgegen, welches man ihr in die enge Kammer brachte, in der sie über Nacht eingesperrt gewesen war, denn sie hatte allen Grund, mit sich und der Welt zu hadern.
    Man hatte ein Kind dazu mißbraucht, ihr ein Gift zu reichen, das ihre Sinne benebelt hatte. Ossek hatte ein so leichtes Spiel gehabt, dass sie selbst in dem entscheidenden Kampf nicht einen einzigen Treffer hatte landen können. Sie hatte versucht schnell zu werden, aber es hatte nicht funktioniert. Bis ihr träger Geist das ganze Ausmaß der Gefahr erkannt hatte, war es schon zu spät gewesen. Ossek hatte seinen Stab ein paarmal spielerisch auf das Holz ihrer Waffe geschlagen, mit der Teri so linkisch herumgeforkt hatte, dass sie bei dem Gedanken daran jetzt noch rot wurde. Dann hatte der Ankläger seine Waffe mit mäßiger Kraft auf ihren Schädel fallen lassen und damit den Prozeß zugunsten der Kläger entschieden. Von da an erinnerte sich Teri an nichts mehr und das war vielleicht auch ganz gut so.
    Teri war in einem groben, grauen Kittel erwacht, der überall kratzte, wo er die Haut berührte. Der Scharanzug war fort, und der wollne Unteranzug fehlte ebenfalls. Hätte man ihr wenigstens das seidene Unterzeug gelassen, das sie direkt auf der Haut getragen hatte, wäre der Kittel ja fast noch erträglich gewesen. So aber stieß bei jeder Bewegung der raue Stoff an ihre empfindliche Haut und brachte sie fast zum Wahnsinn.
    Teri war froh darüber, dass zwei Wachen sie direkt nach dem Frühstück aus dem Verschlag holten und vor den Richter führten. Jetzt würde sich alles aufklären. Vorsichtig ging sie zwischen den Männern zum Haus des Richters, der sie in seiner Werkstatt empfing. Diesmal zog der Mann sein Schürze nicht aus, sondern wandte sich ihr direkt zu.
    "Es war ein ungerechter Kampf!", reklamierte Teri sofort. "Ich bin betäubt worden!" Für sie war ganz klar, dass das Urteil damit hinfällig war.
    Der Richter war allerdings gänzlich anderer Meinung. "Kein Mensch verliert gern, Scharfrau von Thedra", stellte er fest. "Und Ausreden gibt es viele! - Aber selbst wenn du Recht haben solltest, ändert das nichts an meinem Urteil. Die Götter würden es nicht zulassen, dass ein falsches Urteil ergeht, also hättest du, wenn du ohne Schuld wärest, den Kampf auf keinen Fall verloren."
    Teri senkte den Kopf. Empörung und Schuldbewußtsein hielten sich im Moment noch die Waage. Einerseits war es schreiend ungerecht, dass der Ankläger mit diesem faulen Trick durchkommen sollte; andererseits hatte sie ja wirklich das Erdbeben ausgelöst, das die Leute hier so sehr erschreckt - und vielleicht auch geschädigt - hatte. - Konnte es sein, dass die Götter doch mehr Macht besaßen, als Teri glaubte? - Dass sie das Kind mit dem Gift geschickt hatten, um ihr die Gabe des Schnellseins zu nehmen und sie ihrer Strafe zuzuführen?
    "Du hast Frevel an Himmel und Erde begangen, und wer die Götter beleidigt, der kann nicht ohne Strafe bleiben. - Höre nun das Urteil!", sprach der Richter weiter. "Du wirst für zehn Jahre an das Lager der Gerber verkauft. Der Kaufpreis für dich beträgt zweihundert Bronzestücke. Mit dem Erlös werden die Schäden, die du angerichtet hast, bezahlt. Der überschießende Rest fällt an die Stadtkasse von Stein. - Bringt sie fort!"
    "Nein!", begehrte Teri auf, aber die Wachen drehten sie einfach herum und schoben sie aus der Tür. Sie wehrte sich. - Sie wollte mit dem Richter sprechen. Er mußte das Urteil zurücknehmen! - Aber die Wachen schoben sie einfach weiter.
    Teri stemmte sich gegen den Druck, wehrte sich nach Kräften, wurde wütend, wollte schnell werden. - Aber noch nicht einmal das klappte. Sie hatte, zumindest zum Teil, ein schlechtes Gewissen, und das machte alles zunichte. - Im übrigen hätte es ihr auch nicht das Meiste geholfen, schnell zu sein, denn die Bronzekette, die man während der Ohnmacht um ihre Knöchel geschmiedet hatte, war sehr stark und sehr kurz.

KAPITEL 7 - IN KETTEN

    Die Gedanken sind frei! - Aber manche Gedanken werden zu Kerkermeistern des Geistes.

    Vier Wegstunden von Stein, in der Gemarkung Wolfen, lag in einem Seitental der Ausläufer des Großen Gebirges das Lager der Gerber. Das Gerben des rohen Leders, das die Bauern, Fallensteller und Jäger aus weitem Umkreis anlieferten, war eine schwere, schmutzige und ungesunde Arbeit, die kein anständiger

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