Sturm und Drang
ganz und gar nicht!«, protestiere ich.
»Genug vom Fieber.« Ghurd sieht sich verstohlen um. »Es darf keiner erfahren.«
Ghurd ist nervös, und das nicht nur, weil seine Taverne vielleicht unter Quarantäne gestellt wird. Seit Tanrose seinen Heiratsantrag angenommen hat, schwankt er zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode verängstigt. Tanrose legt ihre Hand zart auf seinen Arm. Es ist Ghurd sichtlich peinlich, vor einem alten Kampfgefährten wie mir bei einer solch harmlosen Intimität ertappt zu werden, und er schiebt mir eine Schüssel mit Suppe zu. Ich bringe sie widerstrebend nach oben. Cimdy und Bertax sind zwar ein nettes Pärchen, aber sie liegen mir längst nicht genug am Herzen, als dass ich für sie noch einmal das Fieber riskieren möchte. Außerdem lasse ich mich nicht gern als Kellner missbrauchen. Das Leben ist schon erniedrigend genug. Andererseits herrscht in Turai die eherne Tradition, dass man sich um die Kranken kümmert, die mit einem unter demselben Dach leben. Cimdy und Bertax einfach zu ignorieren würde diese Konvention verletzen, fast einen Tabubruch darstellen und uns allen Unglück bringen. Und ich hüte mich, Unglück heraufzubeschwören, wenn ein so wichtiges Kartenspiel auf mich zukommt.
Cimdy und Bertax hocken eng umschlungen auf dem kleinen Bett des Gästezimmers. Trotz der winterlichen Kälte glühen sie vor Hitze, sind schweißgebadet und haben die Decken zurückgeworfen.
»Ich bringe euch Suppe«, verkünde ich und stelle die Schüssel auf den Boden.
»Danke«, keucht Cimdy.
»Macht euch keine Sorgen, das geht bald vorüber. Wenn ihr noch etwas möchtet, dann bringt Makri es euch hoch.«
Ich verabschiede mich ebenso rasch, wie ich gekommen bin, und pralle im Flur mit Makri zusammen.
»He, pass doch auf!«, faucht sie mich an. »Was machst du denn?«
»Ich habe unseren Patienten Suppe gebracht.«
»Und dich so schnell wie möglich wieder verzogen«, bemerkt Makri.
»Allerdings habe ich mich schnellstmöglich verzogen. Ich will mir nicht noch mal das Fieber einfangen.«
»Krankheiten kommen und gehen. Sie gehören zum natürlichen Lauf des Lebens.«
»Sagt wer?«
»Sermonatius.«
»Dieser alte Betrüger?«
Makri ist beleidigt. »Er ist der bedeutendste Philosoph des Westens!«
»Dann soll er doch Cimdy die Suppe bringen. Und wie ich sehe, reißt du dich auch nicht gerade um diese Ehre.«
Meine Bemerkung macht Makri verlegen.
»Ich will mich nicht anstecken. Ich hatte das Fieber noch nie, und man braucht mich für den Kriegseinsatz.«
»Und mich für ein immens wichtiges Kartenspiel.«
Makri erkundigt sich, ob ich bereits einen Plan habe, wie ich das Geld für das Spiel aufbringen will.
»Ja. Du fragst deine Arbeitgeberin Lisutaris.«
»Sie wird es nicht machen. Sie wird niemals fünfhundert Gurans auf deine zweifelhaften Künste als Kartenspieler setzen.«
»Meine Künste im Umgang mit Karten sind keineswegs zweifelhaft.«
»Letzte Woche hast du Geld an Ghurd, Rallig, Ravenius und Grax verloren. Ich würde sagen, das wirft ein mehr als zweifelhaftes Licht auf deine Künste.«
»Das war Zufall. Die Karten waren gegen mich. So etwas passiert manchmal selbst den besten Spielern. Ich bin die Nummer eins beim Raff. Und hör gefälligst auf zu grinsen.«
»Lisutaris kommt bald hierher«, erklärt Makri. »Dann kannst du sie selbst fragen.«
»Was will sie denn hier?«
Das weiß Makri auch nicht so genau. Aber sie glaubt, dass die Zauberin überprüfen will, ob ich auch die täglichen Anrufungen für Herminis absolviere. Sollten die Behörden jemals herausfinden, dass ich an ihrer Flucht beteiligt war, werden sie über mich kommen wie ein böser Bann. Vielleicht kann ich das ja als Druckmittel gegen Lisutaris einsetzen. Ich könnte andeuten, dass ich die eine oder andere Anrufung vergesse, falls sie mir das Geld nicht leiht.
»Wage es ja nicht, Lisutaris zu erpressen.« Offenbar kann Makri mittlerweile Gedanken lesen. »Sie ist vollkommen damit beschäftigt, die Verteidigung der Stadt gegen die Orks zu stärken. Sie kann gut darauf verzichten, sich auch noch mit bedeutungslosen Dingen belasten zu müssen.«
Ich will Makri gerade darauf hinweisen, dass es keineswegs bedeutungslos ist, Geld beim Raffspiel zu gewinnen, als Lisutaris die Treppe heraufkommt und in den Korridor tritt. Die Zauberin ist so gut gekleidet wie immer. Ihren dicken Pelz hat sie elegant über den Regenbogenumhang drapiert, der ihren Rang anzeigt, und sie trägt zierliche weiße Schuhe,
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