Sturm und Drang
Frau in einem Kleid, das sich eine arme Frau kauft, um ihren Liebsten zu begrüßen. Sie wurde ebenfalls erstochen.
Es ist ein deprimierender Anblick. Die peinliche Sauberkeit der Zimmer macht alles noch schlimmer. Die Frau lebt im ärmsten Teil der Stadt und hat sich bemüht, ihre Sachen in Ordnung zu halten. Ihr Liebster kommt mit Plänen zurück, wie sie an ein bisschen Geld kommen können, vermutlich damit sie irgendwohin ziehen können, wo es ihnen besser geht. Kurz darauf sind beide tot. Letzten Endes war der Plan wohl doch nicht so gut.
Ich sehe mich um, obwohl ich nicht erwarte, etwas zu finden. Was ich auch nicht tue. Falls der Kapitän den Ozeanischen Orkan bei sich hatte, ist er lange verschwunden. In der winzigen Küche liegt ein frisch gebackener Laib Brot auf dem Tisch. Die Frau des Kapitäns war offenbar eine gute Köchin. Er hätte sich mit den häuslichen Bequemlichkeiten bescheiden sollen, statt nach Höherem zu streben. Ich reiße ein Stück Brot ab, stopfe es mir in den Mund und schließe hinter mir die Tür.
Nachdem ich gegangen bin, fühle ich mich niedergeschlagen. Ich habe zu lange Zeit damit verbracht, die Probleme dieser Stadt zu regeln. Und jetzt, wo die Orks draußen vor den Mauern stehen, frage ich mich, warum ich mir diese ganze Mühe eigentlich mache. Ein Bettler streckt die Hand aus, als ich vorbeigehe. Er trägt Lumpen und leidet unter der Kälte. Wenn der Winter hart wird, sterben viele Bettler. Vielleicht schaffen sie es dieses Jahr bis zum Frühling. Ich sollte ihn befragen. Er könnte gesehen haben, wie jemand aus dem Haus gekommen ist. Aber ich haste an ihm vorbei. Der Gedanke, dass ich vielleicht genauso ende wie er, mittellos auf der Straße, bedrückt mich. So wie mein Leben sich in den letzten Jahren entwickelt hat, würde ich das nicht ausschließen. Meine Stimmung verschlechtert sich noch, als ich an einer Taverne auf dem Mond-und-Sterne-Boulevard vorübergehe, auf deren weißer Tür das schwarze Quarantäne-Kreuz aufgemalt ist. Das Winterfieber breitet sich langsam aus.
Ich bin nicht weit von dem Mietshaus entfernt, in dem Tanroses Mutter wohnt. Ich könnte zu ihr gehen und sie befragen, zögere aber. Nachdem ich gerade zwei Leichen gesehen habe, bin ich nicht in der Stimmung, mich in eine neue Ermittlung zu stürzen. Aber die Zeit drängt, und ich brauche Geld. Ich seufze und mache mich zu ihr auf den Weg.
8. KAPITEL
Tanroses Mutter ist eine zerbrechliche, grauhaarige Dame. Sie hat gerade ihren Achtzigsten erlebt, was in dieser Gegend recht selten ist, aber ich denke, dass sie nicht mehr allzu lange unter uns weilen wird. Ihre Dienerin, die Tanrose bezahlt, führt mich in den einzigen großen Raum, in dem Tanroses Mutter in einem großen Lehnstuhl sitzt. Sie hat eine braune Decke über die Beine gelegt. Obwohl die Familie nicht wohlhabend ist, ist das Haus, in dem sie wohnt, nicht so heruntergekommen wie viele andere in den ärmeren Vierteln. Die Wohnung ist klein, aber wohnlich und hübsch eingerichtet. An der Wand hängen kleine Gobelins, die Fensterscheiben sind allesamt heil, und auf den polierten Bodenbrettern liegen dicke Teppiche. Ich streife im Vorübergehen den Familienschrein mit einem Blick. Er ist hell und sauber und riecht nach Weihrauch.
Nachdem mir die Dienerin ein Glas Wein gebracht hat, warte ich darauf, dass Tanroses Mutter zur Sache kommt. Sie holt ein bisschen weit aus. Als sie schließlich die Geschichte erzählt, klingt ihre Stimme etwas verbittert. Sie hat den Behörden offenbar niemals verziehen, dass sie ihren Vater ins Gefängnis geworfen haben.
»Die Freibeuter hatten einen Vertrag mit dem König. Sie konnten all ihre Beute behalten, die sie zusammengerafft hatten, bevor sie in die Marine eintraten. Mein Vater, Kapitän Maxius, hat am Tag, bevor er sich bei dem Geschwader melden sollte, dem er zugeteilt worden war, ein simnianisches Schatzschiff angegriffen. Alles, was er an diesem Tag erbeutete, gehörte von Rechts wegen ihm.«
Wie sie sagt, sahen die Behörden das anders. Kapitän Maxius hat ehrenhaft in der Schlacht um die Insel des Toten Drachen gefochten, aber als er wieder in den Hafen einlief, wurde er zum Palast geschleppt, wo er beschuldigt wurde, dem König Schätze vorzuenthalten.
»Andere Kapitäne waren eifersüchtig, weil er so erfolgreich war, und haben gegen ihn ausgesagt. Der Prozess war nicht gerecht. Er wurde ins Gefängnis gesteckt, aber er hat sich geweigert, ihnen das Geld zu geben.«
Tanroses Mutter hustet. Sie
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