Sturm und Drang
verblüfft.
»Weil es Aufmerksamkeit auf die Taverne lenkt.«
»Tut es nicht.«
»Tut es wohl. Die Leute werden darüber sprechen, vor allem, wenn General Akarius Prätor Raffius mitbringt.«
Mich beschleicht das ungute Gefühl, dass die Dinge allmählich aus dem Ruder laufen. Überall liegen Kranke herum, und gleichzeitig marschieren die reichsten Menschen der Stadt in meine Richtung. Aber ich schiebe den Gedanken beiseite.
»In Krisenzeiten muss ein Mann sich so normal wie möglich benehmen. Ich kann nicht plötzlich herumrennen und Kartenspiele absagen. Das wäre unpatriotisch.«
Dafür hat Makri nur Hohn und Spott übrig.
»Du sollst keine Aufmerksamkeit auf die Rächende Axt lenken. Das größte Kartenspiel in der Geschichte Turais dort zu veranstalten, könnte man durchaus als Aufsehen erregend bezeichnen.«
»Wenn ich es absage, würde das nur noch viel mehr Verdacht erregen.«
»Hast du das Geld denn schon aufgetrieben?«
»Noch nicht ganz. Aber ich habe das Gefühl, die Dinge laufen gut für mich.«
9. KAPITEL
Ich verbringe den Abend vor dem Kamin im Schankraum der Taverne, trinke Bier und arbeite mich durch eine gewaltige Rehpastete. Sie besteht natürlich aus gepökeltem Rehbraten, nicht aus frischem, denn es ist Winter. Aber Tanrose versteht sich darauf, das Fleisch wie frisches schmecken zu lassen. Meine Laune hebt sich. Zugegeben, das Obergeschoss ist mit kranken Menschen belegt, und die Pastete schmeckt ohne die Wurzeln, die man so schön in dem Fett zerquetschen kann, auch nicht wie sonst, aber auf der Habenseite fühle ich mich etwas sicherer, zumindest was den Ozeanischen Orkan angeht. Nachdem ich das geheimnisvolle Verschwinden des Schiffskapitäns aufgeklärt habe, weiß ich wenigstens, wo ich stehe. Ich habe zwar keine Ahnung, wer ihn getötet haben könnte, nachdem er sich heimlich in die Arme seiner Liebsten geflüchtet hat, aber bisher ist es mir gelungen, jeden Mordfall in ZwölfSeen aufzuklären. Die Kriminellen in unserem Viertel sind leichtsinnig und machen Fehler, durch die ich sie überführen kann. Manchmal ist ein Fall auch eine härtere Nuss, die ein wenig Nachdenken erfordert. Manchmal bedarf es nur meiner Hartnäckigkeit, bis ich die Lösung finde. Aber normalerweise überführe ich sie zu guter Letzt immer.
In Ghurds Taverne drängen sich die Gäste, aber trotz des rauen Trinkwettkampfs zwischen einer Gruppe nördlicher Söldner und einer Kompanie Armbrustschützen aus Geslax, einem Dorf bei Turai, sind die meisten Gäste von Moolifi gefesselt. In der Rächenden Axt ist noch nie zuvor eine so berühmte Künstlerin aufgetreten. Hauptmann Rallig tut so, als würde er nichts darauf geben, aber ich sehe, dass er sich freut wie eine Eisfee. Er genießt es, in aller Öffentlichkeit mit Moolifi an einem Tisch zu sitzen, und liebt es, wie sie ihm in die Augen blickt. Er hat seine abgetragene schwarze Uniform gegen eine schicke neue eingetauscht, seine Stiefel sind gewichst, und sein Schnauzbart ist getrimmt. Die Trinker halten inne, während sie ihre Flaschen an die Lippen setzen, und werfen dem Pärchen eifersüchtige Blicke zu. Sie beneiden den Hauptmann um seinen Fang. Sängerinnen und Tänzerinnen rangieren in der gesellschaftlichen Hierarchie Turais zwar ziemlich weit unten, aber trotzdem würde eine blonde Schönheit wie Moolifi normalerweise einem wohlhabenden Mitglied der Ehrbaren Kaufmannschaft oder vielleicht sogar einem Senator die Zeit vertreiben. Jetzt ist Rallig mit ihr zusammen, obwohl er nur ein kärglich bezahlter Hauptmann der Zivilgarde ist. Das sagt einiges über seine Fähigkeiten als Mann aus, jedenfalls in den Augen der anderen.
Einige Trinker fordern lautstark, dass Moolifi uns ein Lied schenken möge. Der Hauptmann wehrt dieses Ansinnen eine Zeit lang ab und reagiert verärgert, als einige junge Söldner ihre Aufmerksamkeiten ein bisschen übertreiben. Er will gerade zornig werden, aber Moolifi unterbindet jeden Streit, als sie den Söldnern zulächelt und ihnen zuruft, dass sie gern singen wird. Sie steht auf, jeder Zoll eine selbstbewusste junge Frau, die es gewohnt ist, ihre Zuhörer zu unterhalten. Als Ruhe in der Taverne einkehrt, lässt sich Makri schwer auf einen Stuhl an meinem Tisch fallen. Ihre lange Spätschicht scheint sie erschöpft zu haben.
»Die Männer in Turai sind alle Idioten«, erklärt sie.
»Wir befinden uns mitten im Krieg. An ein bisschen Unterhaltung ist nichts auszusetzen.«
Makri schnaubt höhnisch. Sie zündet sich eine
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