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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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zusammen und gingen, weil sie sich untereinander nicht einigen konnten, zum Haus von Jerraths Vater, um von dem Mädchen selbst eine Entscheidung zu verlangen.«
    Gian lief ein Schauer über den Rücken. Sie hatte diese Geschichte seit ihrer Kindheit nicht mehr gehört, doch selbst jetzt noch, als sorgenvolle Mutter dreier Kinder, zogen sie die Worte des Harlekins in ihren Bann, jedes Wort zuckte wie die Berührung eines Geliebten durch ihre Halsnerven.
    »Die bescheidene Jerrath konnte diese Entscheidung nicht treffen. Sie bekam Angst, als ihr die Kleriker ihre Forderungen laut zuriefen, denn sie hatte nicht gewusst, dass sie eines Tages einem Gott den Vorzug geben musste. Jerraths Vater brachte die versammelte Menge zum Schweigen, woraufhin Jerrath ihn anflehte, diese Entscheidung für sie zu treffen. Ihr Vater dachte lange nach und hatte Angst davor, sich zu entscheiden.
    Er wusste, dass alle in der Stadt Jerrath liebten, und so erkannte er die Gier der Priester, die einen Nutzen daraus ziehen wollten. Jerraths Beliebtheit würde die Bürger in Scharen in den Tempel locken, in dem sie diente. Der Gott dieses Tempels würde einer der mächtigsten in Aineer werden. Er fürchtete, dass er dem Hohepriester dieses Gottes mit seiner Entscheidung Macht über die ganze Stadt gäbe.
    Je länger er seinen Entschluss herauszögerte, umso wütender wurden die Priester.
    Bald ertrug er den Lärm nicht mehr, denn weitere Kleriker
hatten sich vor dem Haus versammelt und mischten sich rufend in das Streitgespräch ein. Er bat um Ruhe, doch keiner beachtete ihn. Er versuchte es noch zwei Mal, doch sie brüllten einfach weiter. Schließlich klopfte Jerraths Vater mit einer Lammkeule auf den Tisch, die von einem frisch geschlachteten Tier stammte und für das Abendessen gedacht war. Blut spritzte in die Menge, und erst da verstummten sie.
    Mit lauter Stimme erklärte er, dass Jerrath keinen Gott dem anderen vorziehen könne und es darum den Göttern selbst überließe, diese Wahl zu treffen. Als sie dies hörten, verstanden die Versammelten, was er meinte, denn in Aineer liebte man nicht nur das Kind, um das man stritt, sondern auch Wettbewerb und Wetten. Die Schatzkammern der Tempel wurden mit den Steuern, die auf diese beiden Handlungen und Opfergaben von Konkurrenten erhoben wurden, gefüllt.
    Jerraths Vater erklärte, dass man am Geburtstag seiner Tochter ein Rennen in den Straßen Aineers abhalten möge. Die Priester jedes Tempels sollten eine Statue ihres Gottes von einem Tempel zum nächsten tragen und dabei dem Weg folgen, den Jerrath jeden Morgen ging. Der Erste, der den Tempel Alterrs am anderen Ende der Stadt erreichte, sollte der Sieger sein.«
    Der Harlekin hielt inne und musterte sein Publikum, das ihm aufmerksam lauschte. Gian folgte seinem Blick durch den Raum. Nur sie bewegte sich, ihre Gäste und Diener standen still wie Statuen. Als wären sie von einem uralten Zauber gefangen.
    »Am Tag des Rennens«, fuhr der Harlekin fort und sah Gian direkt an, der mit einem Mal kalt wurde, »stellte sich die ganze Stadt entlang der Strecke auf, noch bevor die ersten Sonnenstrahlen die Dächer berührten. Man schloss Wetten ab und bereitete ein Fest für den Gewinner vor, aber als die Sonne in Sicht kam, erwartete sie eine Überraschung. Von den eifrigen Gebeten ihrer Diener angelockt, standen die Götter selbst im hellen Morgenlicht
vor dem Haus von Jerraths Vater, von den Priestern ihrer Tempel umringt.
    Jerraths Vater trat aus dem Haus, um das Rennen beginnen zu lassen, und wurde bleich. Vor ihm standen acht der höchsten Götter der Stadt, so groß wie Häuser – und ein schrecklicher Anblick. Tsatach mit seiner Flammenaxt und dicken Kupferarmreifen; die Königin der Götter in orange-roter Robe – sie, deren wahrer Name wegen der Gnade verflucht wurde, die sie im Großen Krieg zeigte – und neben ihr stand der stolze Larat in seinem Flickenmantel, der jede Farbe des Landes aufwies. Hinter ihm Veren, Gott der Tiere, neben seinem geflügelten Bruder Vellern; dann kamen die Götterschwestern der Liebe, Triena und Etesia, deren rote Bänder im Wind flatterten, und der graugesichtige Kebren, Gott der Gerechtigkeit, der seine große Messingwaage auf der Schulter trug.
    Die Götter schwiegen, während sie Jerraths Vater ansahen, der vor Angst schlotternd im Türrahmen stand, bis sich Jerrath an ihm vorbeidrückte und vor jeder einzelnen Gottheit verneigte, woraufhin er es ihr gleichtat.
    Da die Götter sich so auf seiner

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