Sturmauge
darunter verbargen. Er war schon über sechzig und die Kraft, die ihm in vielen Prügeleien das Leben gerettet hatte, schwand allmählich. Als Coran nicht antwortete, seufzte der Alte und stemmte sich keuchend hoch. Das Weißauge stützte ihn, bis er stand.
»Ich habe geträumt, ich wäre wieder jung«, klagte der Hauptmann Emin sein Leid. »Ich habe einen Mann mit all der Freude der Jugend über den Königinnenplatz verfolgt.«
Der König lächelte. »Du warst schon ein grummeliger alter Bär, als wir uns zum ersten Mal trafen. Und ich bezweifle, dass das zwanzig Jahre davor anders gewesen sein wird.«
Der Hauptmann lachte und ging mit steifen Schritten zur Tür. »Ha – und Ihr wart der hochnäsigste Mann, den ich kannte«, sagte er. Leiser fügte er hinzu: »Aber Ihr habt Euer Versprechen
noch nicht eingelöst. Ich werde es Euch nie verzeihen, wenn ich den Tod des Schattens nicht mehr miterlebe.«
»Ich tue mein Bestes, mein Freund«, sagte Emin und sah dem humpelnden Alten nach.
Als der alte Offizier an Morghien und Sir Creyl, dem Kommandanten der Bruderschaft, vorbeiging, nickten die beiden respektvoll. Kaum war die Tür geschlossen, kamen sie jedoch zur Sache.
»Meine Herren, Doranei hat Ilumene in der runden Stadt entdeckt«, verkündete König Emin. »Vorschläge?«
»Lasst Euch nicht von Eurer Wut übermannen«, sagte Sir Creyl. Er war ein untersetzer Mann und trug die praktische Kleidung der Leibgarde. Seine auffälligen blassblauen Augen waren mehr als einmal für Weiß gehalten worden, obwohl es sich bei Creyl um einen ruhigen Mann handelte, der auf einem Schlachtfeld gänzlich fehl am Platze schien.
»Danke, dieser Punkt wurde bereits angesprochen.«
»Wie lautete die Nachricht?«, fragte Morghien, ging an Emin vorbei und nahm auf dem Stuhl Platz, den der Hauptmann gerade geräumt hatte. Er starrte ins Feuer, sah den Flammen bei ihrem Tanz zu, wenn ein Windstoß durch den Kamin hinabfuhr.
Emin wiederholte die Nachricht.
Seit dem Ritual im Turm hatten sie kaum miteinander gesprochen. Der Wandernde wirkte noch ausgezehrter als sonst. Er war in eines der Gästezimmer des Versammlungshauses gezogen und verbrachte genauso viel Zeit in den Flinken Fingern , wie Doranei vor seinem letzten Auftrag. »Eine weitere List?«, fragte Morghien schließlich.
»Das wäre dann zweimal hintereinander fast der gleiche Trick, oder?«
»Ein doppelter Bluff. Ich würde dem Schatten nicht zutrauen, so dumm zu sein, und dieser Mistkerl weiß das.«
»Wir müssen wissen, wie man in den Besitz dieser Nachrichten gelangte«, sagte Sir Creyl. »Das letzte Mal hat man sie uns praktisch aufgezwungen, weil es ihren Zielen diente. Vielleicht haben sie zugelassen, dass Doranei diese Dinge herausfand.«
»Die Tatsachen bleiben davon unberührt«, seufzte Emin. »Kommt schon, ihr habt doch alle über unsere nächsten Schritte nachgedacht, wie lauten eure Vorschläge?«
»Behaltet Euren eigenen Hinterhof im Auge«, sagte Morghien, bevor einer der anderen das Wort ergreifen konnte. »Wenn die Aufmerksamkeit auf die Runde Stadt gelenkt werden soll, dann plant er vielleicht erneut etwas gegen Narkang zu unternehmen.«
»Pah! Diese Stadt ist besser geschützt, als sogar die Bruderschaft ahnt«, sagte Graf Antern mit einer wegwerfenden Geste. »Der Schatten würde sich nicht einmal die Mühe machen, hier etwas zu versuchen.«
»Ich vertraue Doranei«, sagte Sir Creyl zögernd. »Er ist auf der Hut vor Finten, denn in Scree hat er seine Lektion gelernt.«
»Euer Mann ist ausgebrannt«, widersprach Antern. »Zhia Vukotic hat er gar nicht erwähnt – und ihretwegen wurde er doch ursprünglich ausgeschickt.«
»Ich vertraue ihm«, wiederholte Creyl. »Er weiß, was er tut, und er ist nicht ausgebrannt. Wenn Doranei diese Nachricht ausschickte, dann hat er das Wissen sorgsam gesammelt und sich vergewissert, dass es keine Falle ist. Es sei denn, die List ist so unglaublich raffiniert, dass auch wir darauf hereingefallen wären.«
»Also?«, wollte König Emin wissen, zog eine Zigarre unter seinem Wams hervor und entzündete sie an einem Holzspan. Er hielt Morghien das Lederetui hin, doch der Mann der vielen Geister winkte ab.
»Also handeln wir«, sagte Creyl nachdrücklich. »Wenn Doranei Befehle erwartet, heißt dass, dass er nicht allein mit der Lage
fertig wird. Ich schlage vor, dass wir einen Trupp aus Magiern und Brüdern zusammenstellen und in die Runde Stadt schicken. Wir kümmern uns nicht um die Lage der Stadt
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