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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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schlug die Herzogin nun ganz vorsichtig damit gegen die Wand. Mit dem Erklingen des Tons warf der Quartz ein helles, blaues Licht in den Raum. Sie reichte das seltsame Gerät an Sergeant Kayel weiter und zog ein weiteres für sich selbst hervor.
    »Deutlich handlicher als Pechfackeln«, sagte sie, als sie die letzte Stufe erreichte. »Bleibt in der Nähe. Ohne uns wird es hier unten fürchterlich dunkel sein.«
    Bernstein antwortete nicht. Er hatte neben Nais Magie ein Zunderkästchen und Kerzen dabei, aber abgesehen davon gab es nur einen Gang, der zur Bibliothek führte, sie würden sich also kaum verlaufen. Er holte schnell auf und setzte sich an die Spitze, als Kayel beiseitetrat und ihn vorwinkte, damit er ihn im Auge behalten konnte.
    Der Gang durch den Berg, zwei Schritt breit und an der höchsten Stelle sieben hoch, war so glatt, dass er auf magische Weise geschaffen worden sein musste.
    Er führte fünfzig Schritt leicht abwärts, wandte sich dann nach rechts, um nach Südosten den langen Aufstieg zur Bibliothek in Angriff zu nehmen. Bernstein schritt zügig in die Dunkelheit aus und versuchte gar nicht an die Gesteinsmassen zu denken, die sich über ihm erstreckten.
    Etwa eine Stunde später endete der Gang nach einer weiteren Rechtsbiegung. Hinter der Ecke stand Bernstein vor einer hohen doppelflügeligen Tür, die mit einem Bronzeriegel gesichert war. Er öffnete sie, nur um nach weiteren fünf Schritten vor einer weiteren – gleichen – Tür zu stehen, die sich jedoch nicht öffnen ließ.

    »Sie ist verriegelt«, erklärte die Herzogin. Kayel setzte Ruhen ab und schloss die erste Tür. »Neben Eurem Diener hängt eine Kette. Zieht daran, um unsere Anwesenheit zu verkünden.«
    Bernstein tat, wie ihm geheißen. Hinter der Tür war eine Glocke zu hören und kurz darauf vernahm er, wie ein Riegel zurückgeschoben wurde. Die Tür öffnete sich und Licht strömte hindurch. Kurze Zeit war Bernstein geblendet, dann konnte er zumindest eine verschwommene weiße Gestalt vor sich sehen.
    Obwohl er wusste, was ihn erwartete, schnappte er überrascht nach Luft. Das Litse-Weißauge war groß und schlank, nur sein Brustkorb war so breit, dass er sich mit einem Chetse messen konnte. Das Haar war fast so weiß wie seine Haut, aber das alles verblasste wegen des Unterschieds zwischen Litse- und anderen Weißaugen bis zur Bedeutunglosigkeit: einem Paar grau gesprengelter Flügel, die auf seinem Rücken gefaltet waren.
    »Natai Escral, Herzogin von Byora, willkommen«, sagte der Mann mit ausdruckslosem Gesicht. »Bitte, reicht mir Eure Waffen.«
    »Guten Morgen, Kiallas«, antwortete die Herzogin fröhlich, löste ihren Dolch vom Gürtel und reichte ihn dem Mann. »Wie ist das Leben in der Bibliothek?«
    Kayel wirkte nicht sonderlich erfreut, als er seine Waffen und das Bündel mit Bernsteins Säbel abgab. Kiallas sah Bernstein tadelnd an, als dieser nichts abgab.
    »Die Bibliothek besteht weiter so, wie sie es immer tat«, antwortete Kiallas beiläufig. Dabei wirkte er nicht wie ein Gelehrter. In seine Brustplatte aus glänzendem Stahl war die Rune Ilits, des Windgottes, eingeprägt.
    Feine, verschlungene Buchstaben verzierten die Ränder seiner Brustplatte und seiner Arm- und Beinschienen. Letztere trugen am oberen Ende einen kleinen Flügel, der die Knie schützte.
    An seinem Gürtel hing ein Köcher voller kurzer Wurfspeere,
aber Bernstein achtete eher auf die Stangenwaffe, die er auf der Schulter trug. Sie war kürzer als die meisten Speere und hatte eine gebogene Spitze von der Länge eines Kurzschwerts. Der im Kampf mit Säbeln geschulte Oberst konnte sich gut vorstellen, wie Kiallas im Flug mit dieser Waffe zuschlug.
    »Noch immer so liebenswert wie früher«, sagte die Herzogin mit aufgesetzter Fröhlichkeit, während sie das Weißauge umrundete und ins Tageslicht hinaustrat. »Dieser Ausblick macht die fehlende Konversation allerdings mehr als wett.« Sie streckte die Arme aus, atmete tief durch und wandte sich dann zu Ruhen um. »Mein Lieber, komm her und sieh dir die Bibliothek der Jahreszeiten an.«
    Bernstein und Kayel folgten dem Jungen, als Kiallas sich an den Abstieg machte und die grauen Steinstufen betrat, die aus dem Fels geschlagen worden waren. Sie führten zu einer Weide und einem mit niedriger Mauer umgebenen Garten voller verdorrter, brauner Pflanzen, die ein Junge ohne Flügel gerade mit wenig Erfolg schnitt. Dahinter befand sich das erste von einem halben Dutzend riesiger Gebäude aus

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