Sturmauge
erinnerte Bernstein an Geschichten über die Elfen, und der Gegensatz der hellroten und -grünen Kurzspeere, die in einem übergroßen Köcher an seiner Hüfte hingen, unterstrich dieses unwirkliche Bild nur noch.
»Der da hat ein wenig Feuer«, kommentierte Lord Styrax, der Bernsteins Blick gefolgt war. Sie folgten dem Kieselpfad an einem Bach entlang und drehten dann zum hoch aufragenden Faerenhaus ab.
»Gib mir etwas Zeit, und ich finde einen Weg, um ihn zu kriegen.« Auf Bernsteins verwunderten Blick hin lachte Styrax. »Nein, nicht so! Lord Celao ist eine Schande und ein Narr. Es ist besser, wenn er an einer Fischgräte erstickt und Gesh das Kommando in Ismess übernimmt. Ich erlaube es meinen untergebenen Staaten nicht, so schwach zu sein.«
»Sie werden Euch niemals lieben«, dachte Bernstein laut.
»Richtig, aber sie werden mich auch nicht hassen, und ihre Kinder werden aufwachsen und wissen, wer ihnen wieder eine Zukunft gegeben hat. Nein, Ismess ist ein Problem, für dessen
Lösung ich nur etwas Zeit brauche. Über Byora muss ich nachdenken.«
»Wegen der Herzogin Natai Escral oder wegen ihrer Leibwache?«
»Wegen beiden. Deine Nachrichten bestätigen mich darin, dass Byora der Dreh- und Angelpunkt der Runden Stadt ist – und offenbar sind wir mit dieser Ansicht nicht allein.«
»Das alles übersteigt mein Verständnis«, seufzte Bernstein. »Wie sagt man das Verhalten von Unsterblichen voraus?«
»In gewisser Hinsicht kann man sie leichter verstehen. Ihre Gelüste und Ängste nehmen zu. Ich vermute, dass sich Zhia im Augenblick vorrangig im Spiel halten will. Sie spürt, dass Großes bevorsteht und weiß auch, dass sie auf dem Spielbrett bleiben muss, wenn sie jemals einen Nutzen daraus ziehen will.«
Styrax klopfte Bernstein mit seiner riesigen Hand auf die Schulter. »Du hast dich in Scree gut geschlagen, Oberst, hast deine Hand gut gespielt. Bis dahin war Azaer nicht mehr als ein undurchschaubarer Verweis. Jetzt erkenne ich, dass mich seine Pläne direkt betreffen. Die Legenden über Zhia haben das Wesen dahinter verborgen, aber noch vor einer großen Verräterin und vor einem Monster ist sie eine gewöhnliche Person, jemand, den man kennenlernen muss, ebenso wie die anderen.«
Bernstein nickte. Die Nachbesprechung bei seiner Rückkehr zum Heer war ausführlich und erschöpfend gewesen und ihm zeitweilig wie ein Verhör vorgekommen, weil Lord Styrax und General Gaur jedes Gespräch und jede Handlung, an die er sich erinnerte, begierig durchgingen und besprachen.
»Ich habe von Azaer bisher nur seine Legende vernommen.«
»Und sie wurde sorgfältig gefügt, aber ja, ich muss vor allem mehr über Azaer erfahren, bevor ich ihn verstehen kann. Bevor ich Lord Bahl tötete, warnte mich der Schatten davor, dass mich bei meiner Rückkehr ein Aufstand erwartete. Warum?
Wollte er denn, dass mein Eroberungsfeldzug weiterging? Sollte ich als Zeuge hier sein, oder hatte Salen ihn betrogen? Was hatte er in Byora vor, dass er eine Ablenkung brauchte? Es wird in den nächsten Monaten deine Aufgabe sein, Byora unauffällig zu beobachten und mich über die Geschehnisse zu unterrichten.«
»Ich fühle mich geehrt, mein Lord.«
»Ich glaube nicht, dass es sonderlich ehrenvoll werden wird«, sagte Styrax lächelnd. »Aber du hast Scree überlebt und weißt, worauf du achten musst. Mach dir wegen deiner Männer keine Sorgen. Wenn wir in die nächste Schlacht ziehen, wirst du sie wieder anführen.«
»Ich danke Euch, mein Lord«, sagte Bernstein und war gerührt, dass sein Herr das Bedürfnis verstand, bei den eigenen Männern zu sein, wenn sie gegen den Feind zogen.
Am Eingang des Faerenhauses blieb Lord Styrax kurz stehen, um das rechteckige Denkmal noch einmal zu betrachten. »Rätsel über Rätsel«, sagte er. »Doch das erste Rätsel, um das wir uns kümmern werden, ist das des Herzens. Ich nehme nicht an, dass unter deine Fertigkeiten auch das Entschlüsseln fällt, Bernstein?«
Bernstein schüttelte den Kopf, und Lord Styrax klopfte ihm auf den Rücken.
»Keine Sorge … wir werden sehen, wie schnell du lernst«, sagte er fröhlich und ging die Treppe zum Haupteingang hinauf.
Bernstein seufzte und folgte ihm.
Als Lordprotektor Torl aus seinem Zelt trat, war die Dämmerung noch grau und die Sonne wenig mehr als ein Schimmer am Horizont. Das Lager war unnatürlich still, auch wenn man die frühe Stunde bedachte. Bei einem Rundblick fand er einige der Feuer schon wieder angefacht, aber nur wenig
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