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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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als nur ein Mensch sein, so als hätten die Götter die Gussform endlich zur Vollendung gebracht. Sogar Aryn Bwr konnte nicht mehr Anhänger begeistert haben als Kastan Styrax.
    Lord Styrax machte ein paar Schritte und stellte sich neben den Oberst. Die Bibliothek der Jahreszeiten hatte nur einen Ausgang, ein gewaltiges Tor. Das Torhaus war in den Fels eingelassen und ragte bis auf die Straße, wodurch es die gesamte Länge von Ilits Treppe überblickte. Der Bogen nutzte einen natürlichen Spalt in der Wand aus, und quadratische Blöcke erstreckten sich an dem Felsen entlang. Ohne das Tor wirkte die Bibliothek sehr verletzlich, aber Ilits Treppe überwand mit zwanzig Schritt breiten, stufenförmig angelegten Plattformen einen Höhenunterschied von zweihundert Schritt und bot den Aufsteigenden keinerlei Deckung.
    Die Wächter der Bibliothek hatten dafür gesorgt, dass jeder von den riesigen Lagerräumen wusste, in denen neben den Waffen der Gäste ganze Wagenladungen Pfeile lagerten – einer für jeden Mann, den Deverk Grast nach Ismess geführt hatte. Das mochte eine Legende sein, aber es gab mehr als ein Dutzend Balistae, die dem gleichen Zweck dienten.
    »Sehnst du dich nach der Freiheit?«, fragte Lord Styrax und wies zum Torbogen hinüber, hinter dem die spärlich bewaldeten Hügel auf der anderen Seite der Stadt und auch der klare, blassblaue Himmel zu sehen waren. Es war ganz früh. Die Sonne war erst von einer halben Stunde aufgegangen, und das Tal lag noch im Schatten. Die Luft war kalt und frisch.
    Es erinnerte Bernstein an die Wintermorgen, da er mit seinem Vater und seinen Brüdern jagen gegangen war.
    »Ich genieße nur die Aussicht«, sagte er schließlich. »In einer so feinen Umgebung werde ich immer etwas unruhig, vor allem, wenn meine Männer ohne mich da draußen sind.«

    »Dann will ich dich mal beschäftigen. Ich werde den ganzen Tag im Faerenhaus verbringen und brauche jemanden, der mich begleitet.«
    »Natürlich, mein Lord.« Bernstein zögerte kurz, dann fragte er: »Mein Lord, wäre Nai nicht ein besserer Helfer? Ich kann Euch doch nur dadurch unterstützen, dass ich Bücher trage.«
    Lord Styrax nickte. »Ohne Zweifel richtig, aber es heißt ja auch: Traue keinem Nekromanten. Die Leute mögen meinesgleichen aus gutem Grund hassen, aber denen, die im Dunkeln wandeln, können wir nicht das Wasser reichen.«
    Styrax’ Worte erinnerten Bernstein an die Unterhaltung zwischen dem Nekromanten Isherin Purn, dem Herrn Nais, und Lord Styrax, die er in Thotel belauscht hatte. Bernstein hatte gemerkt, dass in jedem Wort des Mannes etwas mitschwang, das er nicht deuten konnte, das jedoch auf Spannungen und Bünde hinwies, von denen er nichts wusste.
    Die Wachen am Tor wandten ihnen die Köpfe zu und zeigten die Gesichter nervöser Litse, die wie Wild wirkten, wenn es den Wolf witterte. Die Weißaugen brauchten am längsten, um zu reagieren. Drei behielten Ismess im Auge und spürten den Wind, der Ilits Treppe hinaufwehte. Einer hatte seine Flügel ausgebreitet, obwohl er noch mindestens zehn Schritt machen müsste, bevor er fliegen könnte. Trotz ihrer Größe waren die Flügel nicht in der Lage, einen Mann ohne magische Hilfe zu tragen.
    »Eingesperrte Vögel«, sagte Styrax und nickte zu den Weißaugen hinüber, die sich nun endlich ebenfalls umdrehten. Er schien ihr Unwohlsein zu genießen. »Sie sind an diesen Ort gebunden, dazu erzogen, durch die Stäbe zu spähen, aber nie zwischen ihnen hindurchzuschlüpfen.«
    »Ich verstehe dieses Volk nicht«, gab Bernstein zu. »Sogar ihre Weißaugen wirken auf mich fremdartig, denn ich dachte, Eure Art sei überall im Land gleich.«

    »Sie sind ein gebrochener Stamm, machen sich ihre früheren Erfolge nicht bewusst. Ohne jemanden mit Weitsicht werden sie sich noch tausend Jahre an diesem verdammten Ort grämen, bis die Inzucht oder ein Krieg sie schließlich vernichtet.«
    Aber welche Lösung werden wir bieten? , fragte sich Bernstein, als sich Styrax abrupt umdrehte und Bernstein bedeutete, ihm zu folgen.
    Es hatte die Nacht über geregnet, und der Boden war schlammig, darum hielten sie auf den nächsten Kieselpfad zu. Gesh folgte ihnen. Das Weißauge war wie am Vortag in eine formelle weiße Robe unter einer zeremoniellen Rüstung gekleidet. Es wirkte seltsam, einen Mann mit so wenig Farbe zu sehen. Mit der bleichen Haut, dem eierschalenweißen Haar und den weißen Augen wirkte Gesh fast wie tot. Sein schmaler Körperbau und die unweltliche Erscheinung

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