Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
Vom Netzwerk:
Halt und Kraft zu finden, aber es machte einfach keinen Unterschied. Der Berg kam nicht näher, und die Dunkelheit hinter ihm erstreckte sich ins Unendliche.
    Er sank auf die Knie, schnappte nach Luft und sah sich um. Die Landschaft war zerrissen. Tiefe Gräben waren in den Boden gezogen, und sogar die Gräser wirkten wie abgestorben. Tod war überall um ihn herum, und obwohl hier und da Gegenstände herumlagen – ein Helm hier, ein zerbrochener Säbel dort –, sah er doch niemanden, weder lebendig noch tot. Der Berg erhob sich wie ein abgebrochener schwarzer Zahn über ihm, unwirklich und unerreichbar.
    Er grub die Finger in den Schlamm und spürte, dass sie hineingezogen wurden. Er löste seine Hand wieder aus dem Griff des Landes und versuchte aufzustehen, aber seine Beine verweigerten den Dienst und die Dunkelheit umhüllte ihn. Er versuchte zu schreien, konnte seiner Angst aber keine Stimme verleihen.
Er versuchte seine letzte verbliebene Kraft zusammenzunehmen, um das Schwert zu heben, doch es gelang nicht. Die Dunkelheit beugte sich über ihn, so körperlos wie Rauch. Doch dann packten ihn eisige Finger an der Kehle. Er fiel in den wartenden Schlamm zurück, und es brannte, als die Erde ihn in sich hineinzog, wobei ihn die Hand an seiner Kehle unablässig weiter hinabdrückte, hinab in das kalte Grab.
     
    »Darf ich eine Vermutung äußern, warum Ihr gerade diesen Ort ausgesucht habt?«
    Isak drehte den Kopf zu Mihn um, der bewegungslos dasaß, ein dunkler Schemen vor dem Licht, das durch die verzogenen Bretter schien.
    »Könnte es nicht sein, dass ich einfach nicht im Weg sein wollte und mir da ein Stall so recht war wie jeder andere Ort?« Isak wies auf die Tenne, auf der sie saßen. Im Halbdunkel unter ihnen regten sich Ochsen. »Hier ist es wärmer als draußen in der Gasse, oder?«
    »Das ist es tatsächlich, aber ich vermute, dass Ihr in diesem Stall schon einmal wart.«
    Isak zuckte die Achseln. »Vielleicht. Aber das macht ihn noch nicht zu etwas Besonderem.«
    Er wusste, dass sich Mihn nicht täuschen ließe. Der schweigsame Nordmann betrieb kein eitles Geschwätz. Er fing selten selbst ein Gespräch an, auch wenn die Monate in Morghiens Begleitung ihn etwas offener hatten werden lassen. Morghien war zwei Wochen in Tirah geblieben, dann hatte die Straße zu laut nach ihm gerufen, und er hatte seiner unsteten Natur nachgegeben. Während dieser Zeit hatte Isak den unausgesprochenen Bund zwischen den beiden bemerkt, der seiner eigenen Beziehung zu Mihn ähnelte. Es wirkte, als habe Mihn vergessen, wie es war, Freunde zu haben, sich dann aber langsam doch wieder daran erinnert.

    »Ich denke schon, dass er bedeutsam ist, mein Lord. Ihr seid kein Schwärmer, darum meine ich, dass Ihr nicht aus nostalgischen Gründen hier seid.«
    »Ziehst du mich auf?«
    »Nein, Isak, ich bin besorgt. Scree hat Euch verändert, auf mehr als eine Weise. Die Hexe von Llehden ist auch dieser Ansicht, und ich spreche hier nicht nur vom Erscheinen der Schnitter auf dem Irienn-Platz.«
    »Wovon sprichst du dann?«, fragte Isak barsch und erinnerte sich erst im letzten Moment daran, leise sprechen zu müssen.
    Der Wind war den Tag über stärker geworden und jetzt, nach Mitternacht, peitschte er durch die Stadt und rüttelte mit einem gequälten Stöhnen am Stalldach über ihnen. Anfang der Woche hatte es ein bisschen geschneit und Isak glaubte gespürt zu haben, wie die Kälte bei diesen ersten Flocken noch eisiger wurde.
    »Ich spreche über Euch«, sagte Mihn geduldig. »Ihr scherzt nicht mehr so oft wie früher. Es scheint beinahe, als hättet Ihr vergessen, dass es einstmals Euer Lachen war, das andere zu Euch zog …«
    »Ich bin der Lord der Farlan«, unterbrach ihn Isak. »Ich sollte kein Gelächter brauchen, damit sie mir gehorchen.«
    »Das meinte ich nicht. Es war bei Euch so natürlich wie das Atmen. Dass Ihr Lord der Farlan seid, bedeutet nicht, dass sie Euch gedankenlos folgen, nur, dass sie Eure Befehle befolgen werden.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Ihr erscheint gehetzt. Ihr werft Blicke über die Schulter, sogar beim Essen, wenn Ihr mit dem Rücken zur Wand sitzt – und Ihr schiebt Euren Stuhl weiter zurück, um hinter allen anderen zu sitzen. Ja, ich habe es bemerkt.«

    Isak blickte auf den Stallboden hinab. »Was soll ich dazu sagen?«
    »Dass ich Euer Gefolgsmann bin und Ihr mir Eure Geheimnisse anvertraut.«
    »Natürlich vertraue ich dir.«
    »Dann erlaubt mir auch zu helfen«, sagte Mihn

Weitere Kostenlose Bücher