Sturmbote
und lehnte sich vor, um in die Dunkelheit zu starren.
Einige Augenblicke lang geschah gar nichts. Mikiss versuchte herauszufinden, was mit dem Spiegel vor sich ging, als sich mit einem Mal eine Gestalt darin abzeichnete. Die Umrisse bildeten eine andere Form, legten sich über die Bilder von Zhia und Legana, die ursprünglich darin zu sehen gewesen waren. Zhias Haarpracht wurde zur Halsbeuge eines Mannes und ihr Schal formte ein Schwertgehänge, das er quer über der Brust trug.
Der in Schatten gehüllte Mann blickte verwundert, dann trat er aus dem Spiegel auf den kleinen Tisch.
Mikiss wich vor dem Mann zurück. Er war in dunkle, aber teure Kleidung gehüllt. Ein Adliger auf einem Feldzug. Das gewaltige Schwert auf seinem Rücken war hässlich und strahlte beinahe Gewalttätigkeit aus. Es fühlte sich an, als habe sich eine kleine Flamme in ein Inferno verwandelt. Mikiss’ Hände zitterten, denn der Raum war mit einem Mal von einer boshaften Aura erfüllt, die sogar die vielfältigen Schmerzen in seinem Kopf überdeckte.
Das und die deutliche Familienähnlichkeit verrieten Mikiss, dass der Neuankömmling einer von Zhias Brüdern war. Beide zusammen in einem Raum anzutreffen sorgte dafür, dass Mikiss seinen Herzschlag plötzlich laut in seinen Ohren widerhallen hörte. Ihm wurde schwindelig und er musste sich zusammennehmen, um aufrecht sitzen zu bleiben.
Der Mann besaß jene dunkelblauen Augen, die bei den Vukotic so verbreitet waren. Mikiss hatte in den Ländern der Menin fremde Händler getroffen, die ebenso ausgesehen hatten.
Sogar im Halbdunkel konnte er das seltsame Kobaltblau erkennen, das in einem inneren Licht zu leuchten schien. Ihr Götter, ist das Koezh oder Vorizh? , dachte Mikiss und seine Angst wurde von Galgenhumor vertrieben. Das Land ist wirklich verrückt geworden, wenn ein vernünftiger Mann hofft, dass Koezh Vukotic vor ihm stehen möge.
Er starrte den Mann an, zermarterte sich das Hirn, bis er sich daran erinnerte, dass man Vorizh nachsagte, er sei der beste aller Getreuen. Kein Mann sah ihn je einen Raum betreten und niemand konnte ihn verfolgen. Ob das auch für seine Schwester galt?
»Noch mehr Haustiere?«, fragte der Mann und musterte Mikiss eindringlich. »Du hast mittlerweile eine richtige Tierschau. Gestaltwandler, Farlan-Schönheiten, Menin-Getreue …« Er runzelte die Stirn, als sein Blick auf Nai fiel. »Merkwürdig verunstaltete Magier mit Füßen von seltsamer Größe.« Der Gehilfe des Nekromanten warf ihm einen finsteren Blick zu und regte sich, um eine bequemere Stellung zu finden, in der die Blessuren von Leganas Tritt nicht so sehr schmerzten.
»Im Vergleich zu den augenblicklichen Bewohnern von Scree ist es eine bescheidene Sammlung«, sagte Zhia. »Nun, ich brauche dich, o mein Bruder.«
»Ich dachte, du willst mich gar nicht in der Stadt haben?«
»Das ist richtig, Koezh, aber die Lage hat sich geändert.«
»Geändert? Inwiefern?« Koezh trat in die Mitte des Raumes und musterte Legana und Doranei. Mikiss wusste nicht, wonach er suchte, aber dann nickte Koezh Doranei kurz grüßend zu. Der Soldat erbleichte, erwiderte das Nicken aber, trotz seiner offensichtlichen Angst.
»Ich verstehe noch nicht völlig, was da vor sich geht«, gab
Zhia zu. »Mir fehlt wohl noch eine wichtige Einzelheit, aber ich glaube nun zu wissen, dass was immer auch geschehen mag, es ganz sicher in Scree stattfindet. Und ich kann es nicht verhindern. Die Einsätze steigen täglich.«
»Also soll ich für den Augenblick bereitstehen, wenn du mich brauchst?«
»Genau. Ich weiß nicht, wie viele der Stadtwachen und Söldner meinen Befehlen folgen werden. Ich glaube, dass ein Zauber gewirkt wird, der die ganze Stadt erfassen soll und langsam die Leute Screes beeinflusst. Und zwar geht er vom versunkenen Theater aus«, sagte Zhia.
»Auf welche Weise beeinflusst er sie?« Auf Mikiss wirkte Koezh wie ein sprachgewandter Gelehrter, der ein Problem untersucht. Und das entsprach nicht seinen Erwartungen.
»Die Stadtwache berichtet, dass überall in der Stadt zunehmend Gewalt aufflammt. Siala hat Soldaten in die Stadt gebracht, um die Lage in den Griff zu bekommen, aber das hat die Aufstände nur angefacht. Sie hofft, dass diese Machtdemonstration die Menschen einschüchtert. Aber wenn sich die Dinge weiter in die bisherige Richtung entwickeln, werden sich hier bald alle bis aufs Blut bekämpfen.«
»Du glaubst, es wird die ganze Stadt erfassen? Kein Wunder, dass du die Legion der
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