Sturmbote
General Gaur mit einer grimmigen Ermahnung beantwortet: »Sprich leise. Wir wollen doch keiner Patrouille begegnen. Salen hat dafür gesorgt, dass die Nachtwache nur aus seinen Leuten besteht. Unsere Anwesenheit muss sich nicht bis zur Ebene der Säulen herumsprechen, bevor wir nicht bereit sind.
»Ein Botengang«, bestätigte Styrax. »Mikiss, wo wird General Dev gefangen gehalten?«
Der Bote wirkte überrascht. »Der Hauptmann der Löwengarde? Er befindet sich im Dunkelfels seiner Familie, unter Bewachung. Er wurde vor dem Kampf verletzt und konnte nicht ohne Gefahr bewegt werden. Lord Salen wollte ihn für seine Hinrichtung am Leben halten.«
»Aber sicher wollte er das. Bring uns dorthin.«
»Vater«, setzte Kohrad an. Doch Styrax hob die Hand.
»Keine Fragen – vertraue mir.«
»Ja, Vater.«
Styrax konnte das Gesicht seines Sohnes nicht sehen, denn es wurde von einem rot befleckten Stahlhelm verborgen. Er konnte auch nicht ergründen, ob Kohrad innerlich kochte. Seine Antwort war kurz und ruhig gewesen, aber das hieß noch nichts. Der Junge lernte seine Gefühle zu beherrschen, je mehr sein Geist dem Wahnsinn anheimfiel.
»Danke«, sagte Styrax. »Mikiss, wird der Dunkelfels von Salens Männern bewacht?«
»Ich glaube schon, mein Lord.«
»Gut, dann reite voraus. Wir folgen dir, als stünden wir unter deinem Befehl. Wenn eine der Wachen erkennt, dass wir Feinde sind, brichst du nach links aus und bringst dich in Sicherheit. Wenn jemand entkommt, nachdem wir uns offenbart haben, liegt es in deiner Verantwortung, ihn mit deinem eleganten Pferd einzuholen. Gaur, wir machen dies leise und schlagkräftig.« Er beobachtete Kohrad bei seinen Worten und glaubte, dass sein Sohn kurz mit der Schulter zuckte, als er erkannte, dass diese Ermahnung eigentlich ihm galt.
»Falls sich einer von euch noch daran erinnert, wie man in Formation reitet, dann bitte ich um geschlossene Aufstellung, zwei Reihen, Waffen verborgen.«
Die erfahrenen Krieger, die ihn begleiteten, kicherten. Sie mochten zwar eine Elitetruppe sein, die seit Jahren nicht mehr in geschlossener Formation geritten war, aber ein Soldat vergaß seine ersten Übungen nie. Sie machten Platz, damit Mikiss durch die Mitte nach vorn reiten konnte, dann reihten sie sich hinter Styrax und Kohrad ein. Das Scharren von Stahl verriet, dass man sich auf Ärger einstellte.
»Wie ein Dieb in der Nacht«, sagte Styrax mit einem Mal. »In einer Stadt, die mir gehört, vor den eigenen Truppen verborgen.
Ich hatte vergessen, wie viel Spaß so etwas macht.« Seine Worte verloren sich im leichten Wind. Eine Fledermaus schoss über ihnen dahin und erschreckte Mikiss, der daraufhin im Sattel in sich zusammensank.
Styrax schlug Kohrad auf die gepanzerte Schulter und lächelte in die Nacht hinein.
Fünfzehn Minuten später kam General Devs Familiendunkelstein in Sicht. Es war ein fünfundzwanzig Schritt hoher, annähernd runder Granitblock, auf dem sich kleine Vierecke als Fenster herausstellten. Im oberen Teil flackerten Lichter in diesen Fenstern, aber die beiden unteren waren dunkel. Am Tor brannte ein großes Feuer und beleuchtete die Wachen.
»Idioten«, knurrte Gaur. »Sie haben in dieser Stadt seit Wochen Schwierigkeiten und trotzdem sorgen sie dafür, dass sie für einen Bogenschützen ein leichtes Ziel darstellen.«
»Salens beste Männer warten am Tor der drei Sonnen auf uns. Ich nehme an, dass sie wegen der großen Zahl an Soldaten in der Stadt eine ruhige Nacht erwartet haben.«
Kohrads Einwand wurde nur mit einem knappen Nicken zur Kenntnis genommen. General Gaur ließ nichts auf seine Pflicht kommen und erwartete darum auch von jedem Menin-Soldaten, den Regeln zu folgen, gleichgültig ob sie Teil der kämpfenden Truppen oder Angestellte des Quartiermeisters, im Dienst oder nicht im Dienst, waren.
Das ovale Tor war drei Schritt hoch und stellte den Mund eines aus dem Felsen herausgearbeiteten Löwenkopfes dar. Es stand halb offen. Einige Soldaten hockten neben dem Feuer, einer drehte langsam einen Spieß – mit einer Ziege darauf. Als die Reiter näher kamen, trat ein weiterer Soldat aus dem Innern. Er hielt inne, spähte ins Dunkel und blaffte dann die um das Feuer versammelten Männer an. Sie sprangen auf, suchten nach ihren
Waffen. Jemand trat versehentlich gegen einen der Scheite, so dass Funken flogen und brennende Stückchen die Steintreppe hinabsprangen. Styrax verzog das Gesicht, als Kohrad einen Laut von sich gab.
Mikiss reagierte
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