Sturmbote
Kohrads Hand herum zunehmend dunkler, und dann gab es ein lautes Krachen, als die Säule dem gewaltigen Druck nachgab. Styrax lief auf seinen Sohn zu und berührte dabei den Kristallschädel an seiner Brust. Die Magie strömte durch die Säulen bis zu ihnen. Die Zeit war gekommen. Er musste jetzt handeln, wollte er nicht riskieren, dass sein Sohn niemals mehr zu Sinnen kam. Die Magie, die Kohrad nutzte, würde seinen Geist schlichtweg ausbrennen.
Auf diese Gelegenheit hatten sie gewartet. Styrax rannte. Der Schädel löste sich ohne Widerstand von der Rüstung und er hielt ihn auf Hüfthöhe, während er seinen Angriff plante. Die entflammte Gestalt schien ihn nicht zu bemerken.
»Kohrad!«, rief Styrax.
Sein Sohn blickte auf, das Schwert zuckte in seiner Hand, als Styrax den Schädel namens Zerstörung durch die Luft warf. Kohrad vergaß sein Schwert sofort, hatte nur Augen für das schimmernde Artefakt, das im hohen Bogen auf ihn zuflog. Es gleißte im Licht des Feuers. Während es näher kam, wurde das Licht intensiver, stärkte sich an Kohrads Flammen und seiner Macht.
Kohrad streckte gierig die Arme aus, um den Schädel zu fangen, den er dereinst aus den fetten Händen des Herzogs von Ralan gepflückt hatte. Als er ihn gefangen hatte, umarmte er ihn, drückte ihn an seine Brust, damit sich der Schädel mit dem Stahl verbinden konnte und zu einem Teil des Stroms wurde, der ihn durchdrang.
Er umklammerte ihn noch immer, als Styrax ihn erreichte. Kohrad blickte nicht einmal auf, als sein Vater ihn mit dem Schwertgriff schlug. Der Schlag traf Kohrads Kopf, der zurückgerissen wurde. Der ganze Körper erzitterte unter dem Hieb. Einen Augenblick lang brannten die Flammen noch heller, dann verlöschten sie und Kohrad stürzte zu Boden.
Styrax steckte das Schwert weg. Eine Kompanie Cheme-Soldaten hatte sich aus dem Kampf zurückgezogen und ihren Lord umringt. Die wenigen Widerstandsnester überließen sie den anderen.
»Oberst«, rief er dem Anführer seiner Leibgarde zu, »holt General Gaur und eine Trage für meinen Sohn.«
Der Oberst machte eine Geste und zwei der Männer rannten zu den Blutgeschworenen Rittern hinüber. Zwei weitere sammelten Speere und entkleideten Leichen, um Material für eine Bahre zu bekommen. Die anderen schwärmten aus und hielten weiter Wache.
Styrax nahm den Helm ab und kniete neben Kohrad nieder, um eine Hand auf den Schädel zu legen, der jetzt mit der Rüstung verschmolzen war. Er hatte bereits ihre blutrote Farbe angenommen. Kohrad lebte aber noch.
Styrax atmete erleichtert auf. Bei den Kristallschädeln musste er noch immer raten, aber wie es schien, hatte er diesmal richtig geraten. Es war unabdingbar gewesen, dass sein Sohn an der Grenze stand, von den Flammen verzehrt zu werden, denn nur dann konnte ihn die Kombination von Magie und roher Gewalt in diese tiefe Ohnmacht schicken. Und das war die Voraussetzung dafür, dass die Wundärzte und Magier, die bereitstanden, die verderbliche Rüstung vom Körper seines Sohnes entfernen konnten. Die Schädel waren geschaffen, um die Macht der Götter zu schmälern und stellten einen Schutz vor tödlichen Schlägen dar. Durch die Schädel wurden Männer nicht unsterblich, sie erlaubten einem nur, noch einmal mit dem Tod zu würfeln, dem Oberhaupt aller Götter.
Die kleine Delle in Kohrads Helm zuckte, wand sich und nahm dann wieder ihre alte Form an. Styrax beobachtete sie genau. Kohrad hatte die Rüstung von einem Jagdausflug mitgebracht und Styrax hatte in all der Zeit nichts über sie herausfinden
können. Da die Beule so schnell repariert werden konnte, erkannte Styrax, musste es sich um eine uralte, von Elfen gefertigte Rüstung handeln, aber er konnte sich an keine Schrift erinnern, in der ein solches Stück erwähnt wurde.
Er brummte neugierig und nahm Kohrad dann vorsichtig den Helm ab. Sein Sohn hatte die Augen geschlossen und das schwarze, schweißnasse Haar klebte auf seiner Stirn. Die Lippe war aufgerissen und eine rötliche Schramme zog sich bis zu einem kleinen Schnitt auf der Wange. An seiner Schläfe zeigte sich noch kein blauer Fleck, und das war gut so. Bei einem so harten Schlag bestand immer die Gefahr, dass eine Ader platzte – und wenn Blut in den Schädel lief, konnte ein Arzt kaum noch helfen.
General Gaur wurde von klappernden Hufen angekündigt. Er sprang ungelenk vom Pferd. Er war nie ein begabter Reiter gewesen, schon weil er die Beine und Hufe eines Ziegenbocks hatte. Jetzt aber war es Gaur gleich,
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