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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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jetzt nicht unterbrechen, wird er entweder sterben oder beim
Erwachen unwiderruflich der Rüstung verfallen sein, und wir haben keine Chance, es noch einmal zu versuchen. Ich werde keines von beidem zulassen.«
    Der General grunzte zustimmend und gemeinsam hoben sie Kohrad auf die Trage, während die Soldaten sie an ein Pferd banden. Kohrad wurde von Lederbändern über der Brust und der Hüfte gehalten, aber sie mussten seine Beine anwinkeln, damit sie nicht über den Boden schleiften.
    Sein Sohn wirkte mit einem Mal zerbrechlich, im schwachen Licht totenbleich. Styrax erinnerte sich an Kohrad als Kind, ein lebendiger Wirbel aus Gliedmaßen, der mit den Löwenhunden durch Crafancs Zimmer tobte. Seine Mutter, Selar, war ebenfalls ein Weißauge – sie konnten sich nur mit ihresgleichen fortpflanzen  –, hatte sich aber dennoch als erstaunlich aufmerksame Mutter herausgestellt. Es hatte Selar das Herz gebrochen, als sich ihr geliebter Sohn für seinen Vater entschied. Nach Jahren der uneingeschränkten Mutterliebe hatte sich Kohrad doch Styrax zugewandt.
    Als Kind war Kohrad ständig in Bewegung gewesen, war kaum einmal still gewesen. Sogar als Erwachsener lief er auf und ab, gestikulierte voll kindlicher Energie und beißendem Spott. Und jetzt lag er dort, mit schlaffen Lippen und leeren Augen. Es ließ Styrax’ Herz schwer werden, Kohrad so zu sehen, es schmerzte ihn mehr als jede Wunde, die er erlitten hatte.
    Widerstrebend hob er die Zugtrage an, hakte sie am Sattel des wartenden Pferdes ein. Gaur nickte ihm zu und führte das Pferd weg. Offensichtlich hatte er vor, den ganzen Weg neben Kohrad zu gehen. Styrax warf ihnen einen letzten Blick nach, überließ die Aufgabe dann aber mit einem ungewohnten Aufflammen von Angst seinem Freund. Schließlich wandte er sich wieder Larim zu. Er musste seine Sorgen vor dem ehrgeizigen jungen Weißauge verbergen, durfte keine Schwäche zeigen. Larim könnte
sonst glauben, er hätte eine Chance, Salens gescheiterte Pläne erfolgreich zu beenden.
    »Ist der junge Lord schwer verletzt?«
    »Er wird es überstehen«, grollte Styrax und starrte den jüngeren Mann grimmig an, bis dieser den Blick von Kohrads Gestalt abwandte. »Ihr wolltet mir etwas Wichtiges zeigen?«
    »O ja, richtig.« Larim hustete und winkte seinen beiden Wachen zu, die daraufhin die Gefangenen aus dem Sattel zerrten. Ihre Hände waren mit dünner weißer Schnur gefesselt, in die eine Verzauberung eingewoben war. Styrax konnte den glitzernden Silberfaden erahnen, in dem die Magie steckte. Larim nahm einen der Gefangenen beim Arm und zog ihn zu Styrax hinüber.
    »Ich habe Eure Befehle genauestens befolgt: schnelles, gradliniges Töten, ohne Experimente oder Eingenwilligkeiten. Eine Verschwendung hervorragender Versuchsobjekte, finde ich zwar, aber ich konnte Eure Gründe dafür nachvollziehen. Entsprechend verwundert war ich, als ich das Folgende sah.«
    Er zog einen schmalen Dolch aus dem Gürtel und rammte ihn dem Mann in die Brust. Der Getroffene kreischte auf und wand sich vor Schmerz. Larim verzog bei dem Laut das Gesicht und schüttelte den Mann tadelnd. Der Mann schnappte nach Luft, erschlaffte, wurde vor Schmerz ohnmächtig und starb schnell.
    »Bisher wie gewohnt?«, fragte Larim, als würde er vor einer Gruppe Akolythen einen Versuch vorführen. Styrax nickte und konnte seine Neugier im Zaum halten. Der Erwählte Larats tat nichts mit dem Mann. Styrax konnte keine Kraft und kein Amulett spüren, nichts, was den Tod verhindern würde oder auch nur ungewöhnlich erscheinen ließ. Er vermutete, dass der Erwählte Larats die Gelegenheit genoss, ihn zu belehren. Und das war nicht weiter überraschend.
    »Aber aufgepasst!«, sagte Larim und zog den Dolch wieder aus dem Opfer. Ein Blutschwall klatschte auf den Fuß der Säule, die
Kohrad attackiert hatte. Mit einem geringschätzigen Schnauben ließ Larim den Körper los und trat zurück. Der tote Magier schwankte und seine Knie zitterten, die Gliedmaßen und der Kopf hingen schlaff herab, dennoch schaffte er es irgendwie, stehen zu bleiben.
    »Ihr habt recht«, sagte Styrax. »Das ist merkwürdig.« Er schmeckte die Luft. Über der Ebene der Säulen hing tief der Gestank des Todes, aber es war ein neuer Geruch hinzugetreten, der sich schwer in seine Kehle legte. Styrax erkannte das Gefühl wieder. Das hier war ohne Zweifel Nekromantie, aber er konnte keine Quelle dafür feststellen. Dies war einer der wenigen Augenblicke, in denen er von etwas fasziniert

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