Sturmbringer
aufeinander, und dann habe ich keine Zeit mehr für das Anrufen von Geistern, sondern muß meinen eigenen Geist im Zaum halten, damit nicht irgendein Chaoswesen ihn freiläßt.«
Elric näherte sich dem Bug des Schiffes, beugte sich über die Reling und starrte in die Tiefe des Ozeans. Dabei richtete er sein Denken nach innen und beschäftigte sich mit dem absonderlichen und uralten Wissen, das darin ruhte. Er begab sich beinahe in einen hypnotischen Zustand, während er den Kontakt mit seiner eigenen Persönlichkeit verlor und sich allmählich mit dem wirbelnden Ozean unter sich identifizierte.
Ohne daß er es wollte, stiegen ihm alte Worte in die Kehle, und seine Lippen bewegten sich mit dem Spruch, den seine Vorfahren gekannt hatten, als sie und alle Elementargeister der Erde noch Verbündete gewesen waren und sich vor langer Zeit, zu Beginn des Strahlenden Reiches vor mehr als zehntausend Jahren, gegenseitig Hilfe geschworen hatten.
Wasser der Meere, ihr erschüfet uns weise, Wart unsere Milch, wart unsere Speise, Als der Himmel sich deckte ein, Wart die ersten und werdet die letzten sein.
Ihr See-Lords, Väter unseres Blutes, Eure Hilf erfleh ' ich guten Mutes, Euer Salz ist Blut, unser Blut Euer Salz, Euer Blut ist unser, Straasha erhält's.
Straasha, ew'ger König, ew'ges Meer, Deine Hilfe erfleh ' ich sehr. Ich erbitte Deinen mächtigen Segen, Deine Feinde woll'n das Meer trockenlegen.
Die gesprochenen Worte waren nur eine Hörbarmachung der eigentlichen Anrufung, die geistig vorgenommen wurde und die in die Tiefe vorstieß, durch die dunkelgrünen Korridore des Meeres, bis sie schließlich Straasha fand in seinem Reich der gerundeten Bauwerke aus Perlmutt und Korallen, die nur zum Teil im natürlichen Meer bestanden, zum Teil auch in der Ebene, in der die Elementarwesen einen großen Teil ihrer unsterblichen Existenz verbrachten.
Straasha wußte, daß die Schiffe der Hölle an die Oberfläche gestiegen waren, und war froh, daß sein Reich nun davon frei war, doch Elrics Ruf belebte seine Erinnerung, und er dachte an das Volk von Melnibone, zu dem alle Elementargeister einmal mit einem Gefühl der Kameradschaft gestanden hatten; er erinnerte sich an die uralte Anrufung und fühlte sich verpflichtet, darauf zu antworten, obwohl er wußte, daß sein Volk durch die Einwirkungen des Chaos auf andere Teile der Welt sehr geschwächt worden war. Nicht nur die Menschen hatten gelitten; die Elementargeister der Natur waren ebenfalls sehr in Bedrängnis geraten.
So kam es, daß das Wasser und der Stoff seiner anderen Existenz in Bewegung gerieten. Er rief einige seiner Gefolgsleute und begann hinaufzugleiten in das Reich der Luft.
Obwohl Elric halb bewußtlos war, spürte er, daß sein Anruf Erfolg gehabt hatte. Im Bug liegend, wartete er die weitere Entwicklung ab.
Endlich wogte das Wasser und öffnete sich, und eine riesige grüne Gestalt erschien - mit türkisfarbenem Kopf und Haar, hellgrüner Haut, die aus dem Meer selbst zu bestehen schien, und einer Stimme, die wie eine rauschende Flut klang.
Wieder einmal reagiert Straasha auf deinen Ruf, Sterblicher. Unsere Schicksale sind miteinander verknüpft. Wie kann ich dir helfen und dir und damit auch mir selbst?
Elric antwortete in der Sprache der Elementarwesen, die seine Kehle malträtierte. Er berichtete dem Meereskönig von der bevorstehenden Schlacht und ihren Konsequenzen.
So ist es denn endlich geschehen! Ich fürchte, ich kann dir nicht viel helfen, denn meine Untertanen leiden bereits sehr unter den Untaten unseres gemeinsamen Feindes. Wir werden versuchen, dir zu helfen, so gut wir es können. Mehr verspreche ich nicht.
Der Meereskönig versank wieder im Wasser, und Elric blickte ihm mit einem Anflug von Enttäuschung nach. Düsteren Sinnes verließ er schließ- lich den Bug und suchte die Hauptkabine auf, um seinen Kapitänen die Neuigkeit zu überbringen.
Die Männer empfingen sie mit gemischten Gefühlen, denn nur Dyvim Slorm war den Umgang mit übernatürlichen Wesen gewöhnt. Mondmatt hatte schon immer bezweifelt, ob es seinem Freund wirklich möglich war, seine ungebärdigen Elementarfreunde zu lenken, während Kargan vor sich hin grollte, daß Straasha ja wohl ein Verbündeter von Elrics Vorfahren gewesen sein mochte, daß er seinen eigenen Leuten aber eher ein Feind gewesen war. Trotzdem konnten die vier mit etwas gestiegenem Optimismus weiterplanen und dem kommenden Ereignis mit größerer Zuversicht entgegensehen.
4
Die Flotte
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