Sturmbringer
können, Elric?«
Elric wandte sich ab. »Ich wünschte, mich«, sagte er seufzend. Er blickte auf den großen runden Schild hinab, auf dessen geheimnisvoller silbergrüner Grundierung die braunen Pfeile unruhig zuckten. Mühelos hob er ihn hoch und schob ihn sich auf den Arm. Das Rund deckte seinen Körper praktisch von Kinn bis zu den Fußgelenken.
»Kommt, verlassen wir schleunigst diesen Ort des Todes und des Elends. Die Länder Ilmiora und Vilmir erwarten unsere Hilfe - wenn sie dem Chaos nicht bereits zum Opfer gefallen sind!«
7
In den Bergen, die die Seufzerwüste von der Tränenwüste trennten, erfuhren sie von dem Schicksal der letzten Jungen Königreiche. Sie stießen auf eine Gruppe von sechs erschöpften Kriegern unter der Führung von Lord Voashoon, Zarozinias Vater.
»Was ist passiert?« fragte Elric besorgt. »Wo ist Zarozinia?«
»Unser Kontinent ist an das Chaos gefallen, Elric. Was Zarozinia betrifft, so weiß ich nicht, ob sie tot oder gefangen ist.«
»Hast du sie gesucht?« fragte Elric anklagend.
Der alte Mann zuckte die Achseln. »Ich habe in den letzten Tagen so viele Schrecknisse gesehen, daß mir jedes Gefühl abhanden gekommen ist. Mein einziger Wunsch ist eine schnelle Erlösung von allem. Die Tage der Menschheit auf der Erde sind vorbei. Reite nicht weiter, denn sogar die Tränenwüste verändert sich vor der herbeischleichenden Chaos-Flut. Die Lage ist hoffnungslos.«
»Hoffnungslos! Nein! Noch leben wir - und vielleicht lebt Zarozinia noch. Hast du gar nichts darüber gehört, wie es ihr ergangen ist?«
»Nur ein Gerücht, daß Jagreen Lern sie an Bord des führenden Chaos-Schiffes genommen habe.«
»Dann ist sie vielleicht auf dem Meer?«
»Nein - diese verwünschten Schiffe bewegen sich auf dem Land ebenso wie auf dem Meer, wenn sich das heutzutage überhaupt noch auseinanderhalten läßt. Diese Schiffe haben Karlaak angegriffen, unterstützt von einer riesigen Horde Berittener und Infanteriesoldaten. Überall herrscht große Verwirrung - dort hinten findest du nichts als den Tod, mein Sohn.«
»Das werden wir sehen. Ich habe endlich einen gewissen Schutz gegen das Chaos, dazu mein Schwert und mein nihrainisches Pferd.« Er wandte sich im Sattel zu seinen Kameraden um. »Nun, meine Freunde, wollt ihr hier bei Lord Voashoon bleiben oder mich in das Herz des Chaos begleiten?«
»Wir kommen mit«, antwortete Mondmatt für beide leise. »Wir sind dir bis jetzt gefolgt, und unser Schicksal ist ohnehin mit dem deinen verknüpft. Etwas anderes können wir nicht entscheiden.«
»Gut. Lebwohl, Lord Voashoon. Wenn du etwas Gutes tun willst, reite durch die Tränenwüste nach Eshmir und in die Unbekannten Königreiche, in denen Mondmatts Heimat liegt. Gib den Menschen dort Bescheid, was ihnen droht, obwohl sie wahrscheinlich nicht mehr zu retten sind.«
»Ich werde es versuchen«, sagte Voashoon erschöpft. »Hoffentlich treffe ich noch vor dem Chaos dort ein.«
Dann ritten Elric und seine Kameraden weiter, den massierten Horden des Chaos entgegen -drei Männer gegen die entfesselten Kräfte der Dunkelheit. Drei tollkühne Männer, die ihrem Weg so getreu gefolgt waren, weil ihnen der Gedanke an Flucht gar nicht mehr kam. Die letzten Akte mußten zu Ende gespielt werden, ob nun die heulende Nacht oder der ruhige Tag sich anschlossen.
Die ersten Anzeichen des Chaos machten sich sehr bald bemerkbar in der Gegend, wo es zuvor fruchtbares Grasland gegeben hatte. Hier erstreckte sich nun ein gelber Morast aus geschmolzenem Gestein, das zwar kalt war, aber dennoch hin und her wogte. Die nihrainischen Pferde durchquerten diese Zone dennoch mühelos, weil sie eigentlich nicht auf der Ebene der Erde galoppierten und hier zeigte sich zum erstenmal der Chaos-Schild in Aktion, denn im Vorbeireiten veränderte sich das flüssige gelbe Gestein und wurde kurzzeitig wieder zu Gras.
Darauf kamen sie an einem unförmigen Gebilde vorbei, das noch vage erkennbare Gliedmaßen hatte und einen Mund, mit dem es sprechen konnte. Von diesem armen Geschöpf erfuhren sie, daß Karlaak nicht mehr existierte, daß es zu einem brodelnden Nichts zerrieben worden war und daß die Kräfte des Chaos, menschlich wie übernatürlich, an dieser Stelle ihr Lager errichtet hatten und sich von ihrem Treiben ausruhten. Das Wesen erwähnte auch etwas, das Elric besonders interessierte. Es gab ein Gerücht, wonach die Dracheninsel Melnibone der einzige Ort war, an dem das Chaos seinen Einfluß nicht hatte durchsetzen
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