Sturmfahrt der Liebe: Er war der König der Meere - und sie die Herrscherin seines Herzens (German Edition)
bringt.«
»Ich weiß genug, um zu erkennen, dass ich Ihnen die Papiere nicht geben darf.«
Betont sanft erwiderte Gainesborough: »Wir brauchen Männer wie Sie, mein Sohn. Sie verfügen über Erfahrung und Intelligenz. Sobald die Engländer wieder am Ruder sind, wird man Ihnen eine hohe Position zuteilen. Sie sagten, das Mädchen, das Sie heiraten, sei Engländerin? Dann dürfte sie höchst erfreut sein.«
»Evangeline ist nicht so naiv, einen törichten Plan nicht als solchen zu erkennen. Falls die Engländer wieder an die Macht kommen, werden Sie und ich bedeutungslos sein.«
»Sie tun ihnen unrecht.«
»Und Sie lassen sich von Ihrer Angst blenden. Jemand muss sie so lange geschürt haben, bis Sie sich nicht mehr erinnerten, wie es vorher war. Ich aber erinnere mich sehr wohl. Mir sind die willkürlichen Gesetze nicht entfallen, nach denen Engländer stets über Menschen gestellt wurden, die in den Kolonien geboren waren. Ich entsinne mich noch der unbegründeten Verhaftungen aus den nichtigsten Anlässen, der Soldaten, die Häuser, ganze Dörfer zerstörten, weil sie betrunken waren. Das will ich nicht noch einmal erleben!«
Gainesboroughs Züge verfinsterten sich, und Austin beobachtete ihn aufmerksam. Seine eigene Angst vor dem Mentor war seltsam, denn der viel ältere Mann dürfte keine Bedrohung für ihn darstellen.
»Jene Tage sind vorbei«, konterte Gainesborough. »Und diese Unterhaltung ist sinnlos. Ich will die Papiere.«
»Und wenn ich mich weigere, sie Ihnen zu geben?«
Gainesborough kam auf ihn zu und baute sich vor ihm auf. »Bitte, tun Sie das nicht, Austin! Ich liebe Sie wie einen eigenen Sohn. Das wissen Sie.«
»Tut mir leid. Ich muss mich weigern.«
Sein Mentor sah auf einmal sehr traurig aus. »Dann muss ich Sie töten.«
Evangeline lief im Musikzimmer auf und ab und sah fortwährend auf die Uhr. Es wurde später und später, und immer noch war Austin nicht zurück. Draußen hatten sich dunkle Wolken zusammengebraut, und ein kühler Sommerregen trommelte gegen die Fenster.
»Sie sollten ins Bett gehen«, sagte Lord Rudolph, der am Pianoforte saß und eine ruhige Melodie klimperte.
»Ich kann nicht schlafen.« Evangeline machte eine halbe Drehung und stapfte in die andere Richtung. »Mir gefiel sein Gesichtsausdruck nicht, als er ging. Er wusste, dass er sich in Gefahr begab.«
Mr. Seward saß auf einem Diwan, die Zeitung, in der er geblättert hatte, zu seinen Füßen. »Er ist ein mutiger Mann, unser Captain. Kalt wie Eis war er, als Miss Adams und ihr Pirat uns überfielen.«
Lord Rudolph schaute auf. »Was hat er zu Ihnen gesagt, bevor Sie den ehrenwerten Sebastian erschossen? Ich habe gehört, dass er etwas murmelte, konnte aber nichts verstehen.«
»Er hat nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als er mir zuflüsterte: ›Lassen Sie es echt aussehen. Ich habe eine Pistole unter der Jacke, und ich bete zu Gott, dass Sie ein guter Schütze sind!‹«
»Nun, seine Gebete wurden erhört, würde ich meinen«, sagte Lord Rudolph.
»Ich bin tatsächlich ein guter Schütze – immer gewesen.«
Im Geiste hörte Evangeline wieder das Donnern der Pistolenschüsse, glaubte, den Pulvergestank zu riechen und Sebastians Blut auf den Teppich in Austins Salon regnen zu sehen. Sie schloss die Augen.
Als sie wieder hinsah, stand Lord Rudolph neben ihr. Er legte ihre eine Hand auf den Arm. »Wir hätten nicht darüber sprechen sollen. Kommen Sie, setzen Sie sich!«
Er führte Evangeline zu dem Diwan, den Mr. Seward eilig freigab. Der junge Mann sah sie voller Sorge an. »Möchten Sie noch ein Glas Brandy?«
»Nein, nein, es geht schon.«
Evangeline sank auf den Diwan und zupfte an ihrem Rock. Sie bemerkte, wie die beiden Männer besorgte Blicke tauschten. »Wirklich, es geht mir gut! Es war beängstigend, aber wir sind alle unverletzt.« Wieder sah sie zur Uhr. »Ich wünschte nur, Austin würde endlich zurückkommen!«
Lord Rudolph setzte sich zu ihr. »Er hätte Sie heute Abend nicht allein lassen dürfen.«
»Er musste. Die Papiere zu überbringen ist wichtiger, als auf mich aufzupassen.«
Lord Rudolph nahm ihre Hand. Das Ziegenleder seines Handschuhs war weich und kühl. »Seien Sie nicht zu selbstlos. Er hätte uns die Papiere anvertrauen und hier bei Ihnen bleiben sollen statt andersherum.«
»Dem stimme ich zu«, sagte Seward.
Aber Evangeline widersprach. »Ich bin keine Mimose, und das weiß er. Außerdem wusste er, dass ich hier sicher bin. Er selbst ist in weit
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