Sturmfahrt der Liebe: Er war der König der Meere - und sie die Herrscherin seines Herzens (German Edition)
so dass alle Männer ihm aus dem Weg huschten.
Evangeline machte sich auf zum Heck und wich den Matrosen aus, die sich beeilten, Blackwells Befehle auszuführen. Dann stieg sie die Treppe zu dem Gang hinunter, der zu seiner Kajüte führte. Sie war froh, dem Wind zu entkommen. In diesen Breiten war es zwar warm, aber der Wind fühlte sich auf ihrer durchnässten Haut dennoch kühl an.
Ein Junge, der den armen Davis ersetzte, öffnete ihr die Tür mit einem freundlichen Lächeln. Sie schlüpfte hinein, und er schloss die Tür hinter ihr, so dass sie allein war.
Sie bibberte vor Kälte. Durch die Heckfenster sah sie, wie die Hafenlichter erschienen. Das Schiff wendete. Inmitten der goldenen und gelben Lichter der Stadt flammte das brennende Gefängnis wie ein Höllenschlund auf.
Evangeline fragte sich, ob Anna ihren Sebastian gefunden und wie viele Leute sie bis dahin getötet hatte. Sie sprach ein stilles Gebet für Captain Bainbridge. Der Mann hatte sich einzig der Blindheit schuldig gemacht. Anna nahm eine große Schuld auf sich, als sie ihn umbrachte.
Die Laterne in der Kabine schwankte beim Wenden des Schiffes. Noch eine Laterne stand auf dem Boden, deren Kerzenlicht hinter Gitter und Glas tanzte. Die Kabine war genauso aufgeräumt, wie Evangeline es in Erinnerung hatte, der Schreibtisch war leer und das Bett gemacht.
Auf Befehl des Captains hatte Mr. Seward all ihre Sachen zusammengerafft und hergebracht, als sie erstmals eingesperrt worden war: ihre Kleider, Unterkleider, ihr Nachthemd, ihre Strümpfe, ihr Gebetbuch. Und ein sehr verlegener Mr. Seward hatte ihr auch den Rücken zugewandt, als sie ihr Kleid ablegte, und sie höchst verlegen nach Waffen abgetastet. Er war sehr höflich gewesen und hatte sie keineswegs unanständig berührt.
Sie brauchte allerdings einige Sachen, um sich anzukleiden, nachdem sie sich erst einmal gewaschen hatte. Deshalb suchte sie nun die Schränke nach ihrer Kleidung ab.
Eine Sekunde später knallte die Kabinentür auf. Sie drehte sich um und erschrak. Der Captain kam herein. Er warf einen Blick auf sie, einen zweiten auf den offenen Schrank hinter ihr, kam zu ihr und warf die Schranktür zu.
Der Junge, der, wie sie nun hörte, Cyril hieß, kam mit einer Wasserschüssel herein. Diese stellte er in die Aussparung des Waschtisches und huschte gebeugt wieder nach draußen.
Evangeline sah in das wütende Gesicht des Captains. »Ich habe nach meinem Kleid gesucht. Sie haben all meine Sachen, und ich muss etwas anziehen.«
Er griff an ihr vorbei zu einem Schrank weit über ihrem Kopf und riss ein graues Kammgarnkleid heraus, das er auf den Schreibtisch warf. »Nachdem Sie sich gewaschen haben.«
»Ich brauche … ähm … auch Unterkleider.«
Wieder langte er nach oben und holte ihren feinsten Unterrock aus weißer Baumwolle sowie ein Hemdchen aus fast schierer Gaze hervor, verziert mit Schleifen und Spitze. Sie hatte unendlich lange an diesem Hemd genäht, weil sie es zunächst für ihren Hochzeitstag vorgesehen hatte; und danach hatte sie es fertiggenäht, um sich über Harleys Verrat hinwegzutrösten.
Niemals aber hatte sie sich vorgestellt, dass ein Mann es einfach in die Höhe halten würde, erst das Hemd, dann sie ansähe und dabei diesen glühenden Blick bekäme.
Er legte es auf ihr Kleid. »Dies hier.«
»Das werde ich mir ruinieren. Ich habe praktischere Kleidung.«
»Ich möchte, dass Sie es tragen.«
Sie schluckte. »Also gut.«
Als Nächstes zerrte er weiße Baumwollstrümpfe hervor, die er langsam durch seine Finger gleiten ließ. »Es gibt ein Geschäft in Boston, wo meine F …« Er hielt inne, und auf einmal wirkte sein Blick abwesend. »Dort machen sie sehr gute Strümpfe. Sie werden sich da welche aussuchen.«
»Ich fürchte, ich verfüge nicht über die Mittel, um …«
»Ich kaufe sie Ihnen.«
Er legte die Strümpfe auf ihre anderen Sachen, schloss den Schrank über ihr und verriegelte ihn. Als er zu ihr hinabsah, spiegelten sich Gefühle in seinem Gesicht, die sie nicht zu deuten vermochte.
»Wo haben Sie die Sachen her, die Sie tragen?«
Evangeline senkte den Blick auf ihr zerrissenes Hemd. Die Spitze daran hing in Fetzen herab. »Sie erlaubten mir nicht, mich anzuziehen.«
»Ich meine die Jacke.«
»Captain Bainbridge sagte einem seiner Männer, er solle sie mir geben. Er war eher klein und sehr dünn.« Sie sah auf die Ärmel, die sie zweimal umgeschlagen hatte. »Sie passt immer noch nicht, nicht wahr?«
Als sie ein Geräusch
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