Sturmfahrt der Liebe: Er war der König der Meere - und sie die Herrscherin seines Herzens (German Edition)
»Sehr schön. Darf ich den Sonnenuntergang mit Ihnen bewundern?«
Sie nickte, und beide wandten sich wieder dem farbenprächtigen Himmel zu.
»Ein ziemlich beeindruckendes Schauspiel, nicht wahr?«, sagte er nach einer Weile. »Ich werde diese Sonnenuntergänge vermissen, wenn wir wieder an Land sind, obgleich ich gestehe, dass ich das Leben auf dem Schiff allmählich zu eintönig finde.«
Evangeline hielt sich an der Reling fest, während sie zusah, wie die Sonne im Meer unterging. Für sie war es unvorstellbar, wie jemand das eintönig finden konnte. »Es ist so wundervoll. Ich habe noch nie solche Sonnenuntergänge gesehen. Sehen Sie nur, was geschieht, wenn der letzte Rest verschwindet – gleich!«
Sie hielt den Atem an, während sie der letzten Strahlen harrte, die sie alle der Nacht übergeben würden.
Lord Rudolph hielt die Hand über sein Auge. Die Sonnenscheibe sank weiter, und das Meer verschluckte sie. Für einen Moment war die rote Scheibe zu hell, um sie ansehen zu können, wurde vom glänzenden Wasser reflektiert und glitt dann hinter den Horizont, wo sie letztlich verschwand.
Währenddessen wechselte der Himmel von leuchtend Grün zu Tiefblau und Gold, ehe er dunkelgrün wurde.
Dieses atemberaubende Bild blieb für einen einzigen strahlenden Moment der Schönheit erhalten, dann verdunkelte sich alles, das grüne Glühen schwand, und weiße Sterne erschienen über ihnen.
Evangeline seufzte. »Ist das nicht herrlich?«
»Ist es, meine Retterin. Ich habe schon Sonnenuntergänge auf See gesehen, aber einen wie diesen noch nie.«
Sie schlang ihre Jacke fester um sich, weil der Wind auffrischte. »Jeder Einzelne besitzt seine eigene Schönheit. Solche Sonnenuntergänge haben wir in England nicht.«
»Und dennoch hängen wir am guten alten England, nicht wahr?« Seufzend stützte er seine Arme auf die Reling. »Ich freue mich schon darauf, die heimischen Küsten und Londons neblige Straßen wiederzusehen. Ich war zu lange fort.«
»Aber Sie scheinen Ihre Reisen sehr zu genießen, denn Sie erzählen doch wundervolle Geschichten.«
»Ich genieße sie durchaus, trotzdem habe ich vor, häuslicher zu werden. Mein werter Vater kommt in die Jahre, obwohl er ungern daran erinnert wird. Foglich ist es Zeit für seinen vagabundierenden Sohn, nach Hause zu kommen und sich in die Verwaltung des Familienbesitzes einzuarbeiten.«
»Sie klingen wie Captain Blackwell.«
Er grinste. »Tue ich das? Will er sich denn ebenfalls zur Ruhe setzen?«
»Nach dieser Fahrt«, antwortete Evangeline nickend. »Er will in Boston bleiben und dort arbeiten. Ich glaube allerdings, dass ihm die See fehlen wird, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er für den Rest seines Lebens hinter einem Schreibtisch glücklich wird.«
»Wo er keine Matrosen drangsalieren kann? Nein, das kann ich mir auch nicht vorstellen.«
Sie sah ihn fragend an. »Der Captain ist ein sehr freundlicher Mann. Seine Mannschaft wird nicht drangsaliert.«
Lord Rudolph hob eine Hand. »Ich bitte Sie! Ich bewundere Captain Blackwell und halte ihn für einen intelligenten Mann, aber spinnen Sie keine Märchen über seine Freundlichkeit. Er ist unnachgiebig und macht alles, was nötig ist, damit er bekommt, was er will oder was er für richtig hält.«
»Er mag unnachgiebig sein, doch er ist auch freundlich.«
Er lachte. »Ich möchte fast schwören, dass Sie in ihn verliebt sind.«
»Bin ich nicht!«, entrüstete sie sich und wurde feuerrot.
»Ihre unschuldige Wangenröte verrät, dass Sie lügen. Nein, nein, fahren Sie nicht gleich die Krallen aus, Kätzchen, ich bin nicht hier, um Sie zu necken! Vielmehr wollte ich Sie fragen, was Sie zu tun beabsichtigen, wenn Sie in Boston sind.«
Sie umklammerte die Reling fester. »Ich habe eine Cousine in Boston. Sie …«
»Ich weiß, sie hat Ihnen eine Stellung als Gouvernante besorgt. Der Captain erzählte es mir«, sagte er kopfschüttelnd. »Das sollten Sie lassen, Evangeline. Eine Frau wie Sie verdient Besseres, als auf die Bälger irgendeines Kaufmanns aufzupassen. Ich will Sie das schon eine ganze Zeit lang fragen, aber ich habe gewartet, bis Sie sich ein wenig ausgeruht haben.« Er sah sie an. »Ich möchte, dass Sie mit mir nach England zurückkehren.«
Evangeline öffnete den Mund, war jedoch sprachlos. Eine plötzliche Sehnsucht regte sich in ihr. Wenn Austin sie zurückschickte, wäre es weniger beschämend, mit Lord Rudolph zusammen nach England zu kommen. Sie wäre der Gast eines adligen
Weitere Kostenlose Bücher