Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
anzufertigen und darauf Besonderheiten zu vermerken, die ihr in den geführten Gesprächen aufgefallen waren. Doch als schon nach etwa einer Viertelstunde mehr als ein Dutzend Einheimische angeregt plaudernd im Hynsteblom standen und sich kräftig an den Häppchen und dem Prosecco bedienten, gab sie entnervt auf. Die Wiedereröffnung von Fenjas Laden schien eine willkommene Abwechslung im tristen Februar zu sein. Dabei war die Atmosphäre auffallend freundlich und harmonisch. Die meisten Besucher freuten sich offensichtlich wirklich, dass Fenja wieder arbeiten konnte – oder sie waren fantastische Schauspieler, dachte Suna grimmig.
Als Fenja wie geplant den Laden am frühen Nachmittag schloss – sie hatte für die ersten Tage die Öffnungszeiten reduziert – brummte Suna der Kopf vom stundenlangen Lauschen. Viel gebracht hatte es allerdings nicht. Nur drei Namen waren auf ihrer Liste der Personen notiert, mit denen sie noch einmal in Ruhe sprechen wollte: Claudia Kronholz, die Besitzerin des Souvenirshops schräg gegenüber, Holger Asmussen, Marks ehemaliger Chef, der Fenja auffallend kühl und distanziert gratuliert hatte, und Jeremias Berger. Aus seinen Äußerungen hatte Suna geschlossen, dass er vorher noch nicht in dem Laden gewesen war. Das kam ihr merkwürdig vor, da der Ton zwischen ihm, Carolin und Fenja sich sehr freundschaftlich angehört hatte. Sie fragte Fenja danach.
»Das stimmt«, nickte diese. »Jeremias ist erst seit ein paar Wochen auf Sylt. Er studiert Biologie und macht momentan ein Praktikum drüben an der Schutzstation Wattenmeer. Carolin und ich haben ihn im Irish Pub kennengelernt.«
»Wissen Sie noch, wann das war?«, erkundigte sich Suna.
Fenja überlegte kurz. »Ich glaube, das muss Anfang Januar gewesen sein. Ja, genau, kurz nach Sylvester. Da war er gerade neu in Westerland und hat wohl ein bisschen Anschluss gesucht. Seitdem haben wir uns ein paar Mal getroffen. Er ist echt ein netter Typ.«
Suna nickte lächelnd, nahm sich aber vor, am nächsten Tag der Schutzstation und Jeremias einen Besuch abzustatten. Dass Jeremias Berger Fenja und Carolin ausgerechnet so kurz nach Marks Tod angesprochen hatte, kam ihr merkwürdig vor, auch wenn es natürlich purer Zufall sein konnte.
*
Zur gleichen Zeit blieb Daniel Lemarchant in Hamburg unentschlossen vor der Bürotür aus satiniertem Glas stehen. Schon auf dem Weg dorthin hatten ihn leise Zweifel an seinem Vorhaben beschlichen. Er hatte sie energisch zu verdrängen versucht, aber inzwischen ließen sie sich nicht mehr ignorieren. Wenn er diese Grenze überschritt, gab es kein zurück mehr.
Peter Lobinski, Private Ermittlungen stand in geradlinigen Druckbuchstaben auf der Tür. Noch einmal zögerte Daniel, dann atmete er tief durch und drückte die Klinke herunter.
Er betrat ein mittelgroßes, sehr aufgeräumt wirkendes Büro mit großen Fenstern und hellgrauen Möbeln. Vor der Fensterfront stand ein Tisch mit mehreren Stühlen, im hinteren Teil des Raums befand sich ein großer Schreibtisch, an dem ein Mann saß und telefonierte. Er hob den Zeigefinger zum Zeichen, dass er seinen Besucher bemerkt hatte und er einen Moment warten sollte.
Daniel blieb in der Nähe der Tür stehen und musterte den Mann eingehend. Er war schätzungsweise Mitte bis Ende vierzig, und mit seiner unauffälligen Brille, der Halbglatze und der durchschnittlichen Figur ein eher unscheinbarer, aber ganz sympathisch wirkender Typ.
»Ja, ist in Ordnung«, sagte er jetzt ins Telefon. »Ich schicke Ihnen die Abschlussrechnung mit dem Bericht zu. Und wenn Sie irgendwann mal wieder ein Problem haben, bei dem Sie Hilfe brauchen, können Sie sich gern an mich wenden.« Dann legte er auf, erhob sich von seinem Stuhl und kam auf Daniel zu.
»Ich bin Peter Lobinski.« Er streckte ihm die Hand hin. »Was kann ich für Sie tun?«
»Guten Tag, Herr Lobinski«, Daniel ergriff die Hand des Privatdetektivs und erwiderte dessen freundliches Lächeln. »Mein Name ist Daniel Lemarchant. Wir haben gestern miteinander telefoniert.«
»Sicher, ich erinnere mich. Sie kommen aus der Schweiz, richtig?«
Daniel nickte. »Aus Lausanne«, antwortete er, während er Lobinskis auffordernder Geste folgte und auf einem der Stühle am Fenster Platz nahm.
Der Privatdetektiv setzte sich ihm gegenüber ebenfalls an den Tisch. »Also, wie kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte er.
»Nun, es handelt sich um eine etwas heikle Angelegenheit«, begann Daniel zögernd. »Ich muss mich dabei
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