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Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Titel: Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Wassermann
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sie so leise, dass Suna sie zwar gut verstehen konnte, der Kleine im Wohnzimmer aber nichts von dem Gespräch mitbekam.
    »Wenn ich das nur so genau wüsste.« Suna zuckte die Achseln und lächelte ratlos. »Vielleicht erzählen Sie mir einfach von Mark. Er war zehn, als er zu Ihnen kam, oder?«
    »Elf«, berichtigte Frau Katridis. »Wissen Sie von dem Unfall, bei dem er seine Familie verloren hat?« Als Suna nickte, fuhr sie fort: »Damals war er zehn, aber er hatte ebenfalls sehr schwere Verletzungen und war mehrere Monate im Krankenhaus und in der Reha. Erst danach ist er zu uns gekommen.«
    »Der Arme. Das muss schrecklich für ihn gewesen sein«, bemerkte Suna mit ehrlichem Mitgefühl. Die Vorstellung, dass ein Kind die medizinischen Behandlungen über sich ergehen lassen und gleichzeitig den Tod der Eltern und des Bruders verkraften musste, war für sie nur schwer zu ertragen.
    Marks Pflegemutter schien es ähnlich zu gehen, denn sie seufzte laut. »Das kann man wohl sagen. Selbstverständlich haben wir versucht, ihm so gut wie möglich beizustehen, aber ersetzen konnten wir seine Eltern natürlich nicht.«
    »War er ein schwieriges Kind?«, erkundigte sich Suna vorsichtig.
    Frau Katridis überlegte einen Moment. »Schwierig ist wohl nicht ganz das richtige Wort. Ich würde sagen, verwirrt trifft es eher. Er war manchmal sehr empfindlich, hat schnell angefangen zu weinen. Doch meistens hat er sich ganz in sich zurückgezogen. Es war oft schwer für uns zu sagen, was in ihm vorging.«
    »Blieb das die ganze Zeit über so oder hat es sich im Laufe der Jahre gebessert?«
    »Es wurde auf jeden Fall immer besser, besonders als Mark eine richtige Aufgabe bekam«. Frau Katridis lächelte versonnen.
    Suna runzelte die Stirn. »Eine Aufgabe? Was meinen Sie damit?«
    »Zwei Jahre nach Mark ist Jonas zu uns in die Familie gekommen. Er war damals sechs, und das Jugendamt hat ihn wegen Kindeswohlgefährdung aus seiner Familie herausgeholt. Es muss ziemlich schlimm gewesen sein. Alkohol, Drogen, Vernachlässigung, das ganze Programm. Und das hat man Jonas leider auch angemerkt. Er konnte vieles nicht, was für andere Kinder in seinem Alter ganz selbstverständlich war. Dementsprechend wurde er von den anderen sehr oft gehänselt und ausgelacht. Anscheinend hat das Marks Beschützerinstinkt geweckt. Er hat immer zu Jonas gehalten, und weil er nicht nur viel älter, sondern natürlich auch viel stärker war als die anderen, haben die sich nicht mehr getraut, Jonas weiter zu ärgern. Außerdem hat Mark ihm eine Menge beigebracht, sodass Jonas seinen Rückstand enorm schnell aufgeholt hat.«
    Sie strich sich nachdenklich die Haare zurück. »Wissen Sie, Mark hatte wirklich ein schweres Schicksal hinter sich, aber man hat ihm trotzdem angemerkt, dass er die ersten Jahre seines Lebens behütet und umsorgt aufgewachsen ist. Es waren einfach ganz andere Grundlagen da als bei einem verwahrlosten Kind wie Jonas. Trotzdem haben die beiden zusammengehalten wie Pech und Schwefel.« Sie lächelte gedankenverloren, als sie fortfuhr: »Und es hat nicht nur Jonas geholfen. Ganz im Gegenteil, sich um den Kleinen zu kümmern, war für Mark wie eine Therapie. Er ist regelrecht aufgeblüht als großer Bruder.«
    Suna dachte daran, dass Fenja ihr erzählt hatte, Mark hätte öfter von seinem Bruder gesprochen. Inzwischen war sie sich fast sicher, dass er damit nicht seinen leiblichen Bruder gemeint hatte, sondern seinen Pflegebruder Jonas.
    »Wissen Sie, ob die beiden noch Kontakt hatten, nachdem Mark ausgezogen ist?«, fragte Suna.
    »Natürlich. Mark war bis zum Ende seiner Schulzeit bei uns. Danach hat er seinen Wehrdienst abgeleistet und dann eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann hier in Hannover gemacht. Während dieser Zeit hat er uns oft besucht. Jonas hat ja damals noch hier gewohnt. Aber auch später, als Mark dann nach Sylt gegangen ist und Jonas zum Studieren nach München, haben die beiden oft miteinander telefoniert.«
    »Und wie hat Jonas auf Marks Tod reagiert?«, fragte Suna leise.
    Frau Katridis senkte den Blick und presste die Lippen zusammen. »Er war vollkommen fassungslos«, brachte sie schließlich hervor. »Wir konnten es ihm nicht sofort sagen, weil er damals für ein Gastsemester nach Australien gegangen war. Umso mehr hat es ihn getroffen, als er es erfahren hat, vor allem, da zu diesem Zeitpunkt die Beerdigung schon stattgefunden hatte. Es hat ihn ziemlich aus der Bahn geworfen.«
    Suna richtete sich interessiert

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