Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
auf. »Wie meinen Sie das?«
»Wir hatten eigentlich immer ein ganz gutes Verhältnis zu ihm, aber Mark war seine wichtigste Bezugsperson. Nach seinem Tod hatten mein Mann und ich ernsthafte Bedenken, dass er alles hinschmeißen und sogar sein Studium abbrechen würde. Dabei waren wir doch immer so stolz darauf, was er alles erreicht hatte, und das trotz seines schlechten Starts ins Leben. Wir haben versucht, ihn davon zu überzeugen, dass er weitermachen muss, doch er hat uns völlig ignoriert und zeitweise sogar den Kontakt abgebrochen.«
Frau Katridis sah eine Weile nachdenklich zu Luis hinüber, der immer noch mit seiner Murmelbahn beschäftigt war. Am Ende der Bahn war ein Glockenspiel in Treppenform angebracht, und jedes Mal, wenn eine der Kugeln über die Stufen rollte, ertönte eine leise Melodie. Seine Pflegemutter blickte wieder zu Suna zurück. Auf ihrem Gesicht zeigte sich ein erleichtertes Lächeln. »Aber ich denke, inzwischen hat er die Kurve gekriegt.«
»Das heißt, Sie haben wieder Kontakt?«
»Ja. Er ist jetzt wieder zurück in München. Wir haben in den letzten Wochen ein paar Mal telefoniert. Es scheint so, als käme er endlich mit Marks Tod klar. Vielleicht besser als mein Mann und ich«, fügte sie leise hinzu.
»Frau Katridis, können Sie mir sagen, warum Mark nach Sylt gegangen ist? Hatte es etwas mit dem Unfall zu tun?«
»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Er mochte das Meer sehr gern, und es war immer schon sein Traum, eines Tages an der Küste zu leben. Aber warum es ausgerechnet dort sein musste, wo seine Eltern gestorben sind, kann ich nicht sagen.«
Suna überlegte einen Moment. »Und wissen Sie, ob es irgendetwas gab, das ihn in letzter Zeit belastet hat? War er vielleicht unausgeglichen oder gereizt?«
Frau Katridis lachte freudlos auf. »Sie glauben gar nicht, wie oft ich mir in den vergangenen Wochen diese Frage gestellt habe. Aber ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass er so war wie immer. Ein bisschen verschlossen und zurückhaltend möglicherweise, aber liebenswürdig und alles andere als aggressiv. Ich hatte sogar das Gefühl, dass er sich jetzt endlich richtig eingelebt hatte in Westerland. Er hat den Eindruck gemacht, glücklich und zufrieden zu sein. Anders kann ich es nicht sagen. In diesem Punkt stimme ich mit Frau Sangaard überein. Ich habe absolut keine Erklärung dafür, was an dem Abend in der Wohnung dieser Frau vorgefallen ist.«
Suna nickte. »Ich verstehe. Ich muss zugeben, ich hatte mir irgendeinen Anhaltspunkt erhofft. Aber trotzdem bin ich Ihnen sehr dankbar für Ihre Offenheit.«
»Keine Ursache.« Frau Katridis lächelte. »Ich glaube, mir hat es ganz gut getan, mal mit jemand Außenstehendem über alles zu reden. Mein Mann leidet immer noch wie ein Hund, und meinen Freunden möchte ich damit nicht ständig in den Ohren liegen. Sie haben mir schon genug geholfen.«
Als sie Suna kurz darauf zur Tür geleitete, fiel der Privatdetektivin noch etwas ein.
»Frau Katridis, könnten Sie mir vielleicht Jonas’ Telefonnummer geben?«, fragte sie vorsichtig. »Ich würde mich gern mal mit ihm unterhalten. Möglicherweise weiß er noch etwas über Mark, das er Ihnen nicht anvertraut hat.«
Marks Pflegemutter dachte ein paar Sekunden lang nach, schüttelte dann jedoch den Kopf. »Bitte verstehen Sie das nicht falsch, das geht nicht gegen Sie, aber ich denke, Jonas braucht jetzt Ruhe. Ich bin so froh, dass er sich nach der ganzen Aufregung wieder einigermaßen gefangen hat. Und ich möchte nicht riskieren, dass er durch ein Gespräch mit Ihnen noch einmal den Halt verliert.«
»Ja, das kann ich gut verstehen«, meinte Suna freundlich und hielt Frau Katridis die Hand hin. Nachdem sie sich noch einmal bedankt und verabschiedet hatte, ging sie zurück zu ihrem Wagen.
Natürlich verstehe ich die Bedenken, dachte sie. Aber wenn ich so nicht weiterkomme, werde ich trotzdem versuchen, mit Jonas zu sprechen. Für Kobo sollte es kein Problem sein, ihn ausfindig zu machen.
*
»Verdammte Schweinekälte! Das nächste Mal suche ich mir einen Job, für den ich nach Thailand oder Indonesien fahren muss«, fluchte Peter Lobinski leise und rieb sich mit den Händen über die Oberarme. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass es in Norwegen im Februar kalt sein würde, aber der eisige Nordostwind machte ihm doch schwerer zu schaffen als erwartet.
Noch am Abend zuvor war er von Hamburg aus nach Kristiansand geflogen und hatte dort den Mietwagen abgeholt, den seine Freundin
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