Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
waren nur einzelne großformatige Abzüge in modernen Edelstahlrahmen zu sehen, die durch eine ausgeklügelte Lichttechnik beinahe plastisch wirkten. Es handelte sich dabei ausschließlich um Landschaftsaufnahmen von Sylt, unter anderem erkannte Daniel das Rote Kliff und den rot-weißen Hörnumer Leuchtturm.
Bilder von glücklich strahlenden Hochzeitspaaren gab es nur an einer Seitenwand. Aber auch hier fielen nicht so sehr die Menschen ins Auge, sondern die als Kulissen dienenden beeindruckenden Sylter Landschaften.
Hinter dem Tresen war ein großer, dunkelhaariger Mann damit beschäftigt, Fotos am Computer nachzubearbeiten. Als er Daniel hörte, blickte er auf und verzog sein Gesicht zu einem freundlichen Lächeln.
»Moin«, begrüßte er ihn kurz. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich hoffe es.« Daniel setzte wieder sein Lächeln auf, das ihm schon im Gesicht festgefroren zu sein schien, so oft, wie er es in den letzten Stunden eingesetzt hatte. Er zog das Foto vom angeblichen Lukas hervor und legte es so auf den Tresen, dass der andere es richtig herum vor sich sah.
»Mein Name ist Daniel Lemarchant. Sind Sie Herr Petersen?« Als der Fotograf nickte, fuhr Daniel fort: »Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder. Er soll sich letztes Jahr längere Zeit auf Sylt aufgehalten haben. Können Sie sich daran erinnern, ihn mal gesehen zu haben?«
Der andere Mann nahm das Bild in die Hand, kniff die Augen zusammen und betrachtete das Bild eingehend. Für den Bruchteil einer Sekunde schien sich seine Miene aufzuhellen, und sofort schöpfte Daniel neue Hoffnung. Erwartungsvoll blickte er ihn an.
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, begann Petersen schließlich zögernd. »Aber ich glaube, ihn schon mal gesehen zu haben. Kann es sein, dass er mit einer Gruppe Rucksacktouristen auf der Insel war?«
Daniel glaubte beinahe, seinen Ohren nicht trauen zu können. Es war das erste Mal überhaupt, dass sich jemand an Lukas erinnerte. »Das ist richtig. Wissen Sie vielleicht mehr darüber? Wohin sie wollten? Oder den Namen von irgendeinem aus der Gruppe?«
»Tut mir leid.« Der Mann schüttelte den Kopf, und seine Miene spiegelte sein Bedauern wider. »Ich kann mich zwar an das Gesicht erinnern, aber mehr weiß ich leider auch nicht.«
Daniel hatte noch eine andere Idee. »Könnte es sein, dass Sie ein Foto haben, auf dem mein Bruder oder andere Mitglieder der Gruppe zu sehen sind? Durch Zufall, irgendwo im Hintergrund, meine ich.«
Petersen lachte kurz auf. »Ich verstehe schon, was Sie meinen, aber ich laufe nicht herum und knipse wahllos irgendwelche Touristen, um ihnen hinterher ein paar Abzüge anzudrehen. So eine Art Fotograf bin ich nicht. Ich konzentriere mich ausschließlich auf Auftragsarbeiten, und dabei achte ich schon darauf, dass keine anderen Personen im Hintergrund zu sehen sind. Einerseits möchten die Kunden das meistens nicht, und andererseits gibt es dann auch keine Probleme wegen der Verwertungsrechte.«
»Ich verstehe.« Daniel steckte das Foto wieder ein. Er hatte Mühe, sich seine Enttäuschung nicht allzu sehr anmerken zu lassen. »Eine Bitte hätte ich allerdings noch.« Er zog eine Visitenkarte aus der Jackentasche, auf der er auch seine private Handynummer notiert hatte, und hielt sie dem anderen entgegen. »Würden Sie mich bitte anrufen, wenn Ihnen doch noch etwas einfällt?«
Petersen nahm die Karte entgegen, warf einen kurzen Blick darauf und nickte dann. »Sicher, das werde ich auf jeden Fall tun. Aber machen Sie sich nicht zu viele Hoffnungen. Ich weiß wirklich nichts. Ich kann mir nicht vorstellen, was mir dazu noch einfallen sollte.«
»Trotzdem danke«, gab Daniel zurück. Er verabschiedete sich und verließ das Fotostudio.
Draußen blieb er trotz des ungemütlichen Wetters eine Weile stehen, um in Ruhe über alles nachzudenken. Auch wenn der Fotograf ihm nicht viel hatte berichten können, so war er doch immerhin der erste der bisher Befragten gewesen, der sich überhaupt an Lukas erinnern konnte. Daniel wagte es immer noch nicht, den jungen Mann auf dem Foto Sébastien zu nennen, solange nicht bewiesen war, dass es sich eindeutig um seinen Bruder handelte. Aber er hoffte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die Wahrheit ans Licht kam. In diesem Punkt vertraute er Lobinski voll. Und er selbst würde auch nicht eher lockerlassen, bis er wusste, was wirklich hinter allem steckte.
Er holte einmal tief Luft und betrat den Laden, der direkt neben dem Fotostudio lag. Es war ein
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